Toni Faber im "Kurier"-Interview über Authentizität in der Seelsorge, moralische Vorbilder, Zölibat und Grenzen der Pastoral
Wien, 22.09.2024 (KAP) Toni Faber, Dompfarrer des Wiener Stephansdoms und einer der bekanntesten Priester Österreichs, hat in einem Interview mit dem "Kurier" (22. September) die Schwierigkeiten der katholischen Kirche mit Reformen und die Bedeutung von Authentizität in der Seelsorge thematisiert. "Scheinheiligkeit geht mir auf die Nerven", erklärte Faber mit Blick auf moralische Urteile - etwa rund um die Trauerfeierlichkeiten des verstorbenen Baumeisters Richard Lugner im Stephansdom. Der prominente Unternehmer sei zwar kein moralisches Vorbild gewesen, so Faber, habe aber stets ehrlich zu seinen Fehlern gestanden. Der Dompfarrer äußerte sich auch zum Fastentuch des umstrittenen Künstlers Gottfried Helnwein, die Grenzen traditioneller Kirchenlehre sowie dem Zölibat.
Der Dienst als Kirche dürfe "nicht nur bei den sogenannten Frommen stehen bleiben", argumentierte der Dompfarrer seinen pastoralen Zugang, der auch Prominente - wie Richard Lugner - mit einschließe: "Jesus sagte selbst, Zöllner und Dirnen seien ihm lieber als diejenigen, die von ihrer eigenen Gerechtigkeit überzeugt sind und andere verachten."
"Ich möchte mich möglichst wenig mit Fehlern anderer aufhalten und bitte auch, das mit meinen so zu halten", so Faber wörtlich über Kritik an seiner Person. Seinen Dienst versteht er am Vorbild Jesu orientiert. Zudem habe Franziskus der Kirche mehr Freiheit eingeräumt, indem etwa die Segnung Homosexueller eine kirchenamtliche Gutheißung bekommen habe - "auch wenn sie wieder ein bisschen zurückgenommen wurde".
"Damit habe ich mich abgefunden"
Kritik übte Faber am Umgang der Kirche mit Neuerungen: "Wir tun uns mit Reformen schwer in der Kirche", meinte der Dompfarrer dazu wörtlich. Als Theologiestudent habe er noch gehofft, "weibliche Priester, die Abschaffung des Zölibats und die Segnung homosexueller Paare zu erleben". Diese Reformen habe die evangelische Kirche bereits umgesetzt - "die aber dennoch leider nicht besser dasteht als wir". Folglich würden auch dort diese Fragen nicht im Zentrum der Zukunftsfähigkeit der Kirche stehen. "Damit habe ich mich abgefunden", so Faber und weiter: "Dass ich hier so arbeiten kann, wie ich es tue, ist eigentlich eh auch schon ein kleines Wunder."
In Bezug auf den Zölibat äußerte sich Faber differenziert. Der Zölibat sei für ihn "Freiheit für Gott" doch befürwortet er das evangelische Modell verheirateter Priester - auch wenn er sich mit 62 Jahren nicht mehr nach einer eigenen Familie sehne.
Über 100 Wiedereintritte pro Jahr
Die Kritik aus den eigenen Reihen konterte Faber gelassen und verwies auf seine hohe Erfolgsbilanz bei der Rückgewinnung von Gläubigen für die Kirche. "Der Kardinal hält seine schützende Hand über mich", so Faber. Er kenne "meine Schwächen, liebt aber meine Stärken." Jährlich schaffe er über 100 Wiedereintritte in die Kirche, was seine Arbeit rechtfertige.
Faber äußerte sich auch zur aktuellen Lage des interreligiösen Dialogs, besonders im Hinblick auf den Islam. "Der Dialog mit dem Islam ist wichtiger denn je", erklärte er, betonte aber gleichzeitig die Notwendigkeit, radikalen Tendenzen entgegenzutreten. Er sei in gutem Austausch mit muslimischen Vertretern in Wien und begrüße die ständigen Versuche von Papst Franziskus, Brücken zwischen den Religionen zu bauen.
Faber, der seit 27 Jahren als Dompfarrer im Wiener Stephansdom tätig ist, gilt als unkonventioneller Priester, der in der Corona-Zeit unter anderem durch kreative Aktionen wie die "Himmelsleiter" auf dem Dom Turm oder ein umstrittenes Fastentuch des Künstlers Georg Helnwein auf sich aufmerksam machte. Letzteres zeigte das Abbild Christi auf dem Turiner Grabtuch mit dem Kopf nach unten. Nach heftigen Protesten wurde es abgehängt, was Faber mit "Ich konnte es nicht verstehen" kommentierte und darlegte, dass er im Zuge auch an einen Rücktritt gedacht hatte.