Kardinal-Innitzer-Preis 2024 an Mediziner Kraft verliehen
23.11.202414:31
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Kardinal Schönborn bei Preisverleihung im Wiener Erzbischöflichen Palais: \"Wir leben in einer Zeit, in der Wissenschaft sowohl verherrlicht als auch angezweifelt wird. Beides kann gefährlich sein\" - Appell an Politik für bessere Wissenschaftsförderung
Wien, 23.11.2024 (KAP) Die Erzdiözese Wien ehrt jährlich wissenschaftliche Spitzenleistungen in Geistes- und Naturwissenschaften sowie in der Publizistik mit den renommierten "Kardinal-Innitzer-Preisen". In diesem Jahr ging der Hauptpreis an den Mediziner Prof. Dr. Dietrich Kraft, der auf dem Gebiet der regenerativen Medizin und Herz-Kreislaufforschung wegweisend ist. Überdies wurden drei Würdigungs- und acht Förderpreise vergeben. Verliehen wurden die Preise am Samstag im Wiener Erzbischöflichen Palais von Kardinal Christoph Schönborn. In seiner Ansprache rief der Kardinal dazu auf, Wissenschaft weder zu ideologisieren noch zu instrumentalisieren: "Wir leben in einer Zeit, in der Wissenschaft sowohl verherrlicht als auch angezweifelt wird. Beides kann gefährlich sein", so Schönborn.
In Zeiten, die zunehmend von Skepsis gegenüber wissenschaftlichen Erkenntnissen und einfachen ideologischen Erklärungen geprägt seien, brauche es eine Rückbesinnung auf die menschliche Vernunft und die Anerkennung, dass jede Wissenschaft auf Voraussetzungen fußt, die selbst nicht beweisbar, sondern Geschenk sind. Schönborn nannte dies "eine Gabe, die uns ermahnt, mit unserer Erkenntnis verantwortungsvoll umzugehen".
Wissenschaft schaffe nicht nur Wissen, sondern eröffne tieferes Verständnis für die Welt und ihre Zusammenhänge, so Schönborn. "Wissenschaft ist niemals weltanschaulich neutral, sie wirkt immer in einen größeren Kontext hinein - sei es zum Wohl der Menschen oder als Instrument ideologischer Macht." Der Kardinal mahnte dabei, weder in Wissenschaftsgläubigkeit noch in Wissenschaftsfeindlichkeit zu verfallen. Wissenschaft müsse vielmehr als nüchterner und faszinierender Prozess verstanden werden, der die Grenzen des Erkennbaren anerkennt, ohne sich von ihnen lähmen zu lassen.
Die jährliche Verleihung des Kardinal-Innitzer-Preises, der von Kardinal Theodor Innitzer ins Leben gerufen wurde, sei nicht nur eine Würdigung wissenschaftlicher Exzellenz, sondern auch ein Appell an die Verantwortung von Wissenschaft für die Gesellschaft. Gleichzeitig richtete Schönborn einen Appell an die Politik, mit Blick auf die laufenden Koalitionsverhandlungen: "Wissenschaftsförderung ist Zukunftsförderung. Wir hoffen, dass die neue Regierung dieser Wahrheit genügend gerecht sein wird."
Dietrich Kraft wurde 1937 in Innsbruck geboren und studierte Humanmedizin in Wien und Hamburg. Nach der Promotion an der Uni Wien folgten klinische und immunologische Tätigkeiten sowie eine Ausbildung zum Facharzt für Dermatologie. In den Jahren 1970 bis 1974 hielt sich Kraft wegen eines Forschungsaufenthalts an der University of Cambridge auf. Nach der Habilitation 1977 erfolgte seine Ernennung zum Leiter der Abteilung Immunpathologie an der Universität Wien.
Allergien standen im Mittelpunkt der Forschungsarbeiten von Dietrich Kraft. Durch den Einsatz molekularbiologischer Techniken gelang seinem Team die weltweit erste Klonierung allergieauslösender Pollenproteine, was die Tür zur Entwicklung neuer Diagnostika und Therapeutika allergischer Erkrankungen öffnete. Kraft publizierte mehr als 400 Arbeiten in internationalen Journalen und Fachbüchern. Würdigungen seiner Tätigkeiten beinhalten zahlreiche Mitgliedschaften in wissenschaftlichen Gesellschaften sowie zahlreiche Preise. Seit 1999 ist er wirkliches Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Die Dankesworte für die Auszeichnung mit dem Kardinal-Innitzer-Preis 2024 hielt Krafts Sohn, da der Mediziner erkrankt war.
Würdigungs- und Förderpreise
Die Kardinal-Innitzer-Würdigungspreise gingen im Bereich Geistes- und Sozialwissenschaften/Rechtswissenschaften an den Wiener Historiker em. Prof. Walter Pohl (71) und in der Kategorie Naturwissenschaften/Medizin an den in Wien lehrenden deutschen Molekularbiologen Prof. Jürgen Knoblich. Für ihre wissenschaftlich fundierte Publizistik wurde Alice Senarclens de Grancy, die seit einem Jahrzehnt das Ressort "Wissen" in der Tageszeitung "Die Presse" leitet, mit dem Würdigungspreis geehrt.
Die acht Innitzer-Förderungspreise gingen am Samstag an junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, darunter den an der Theologischen Hochschule Benedikt XVI. in Heiligenkreuz lehrenden Zisterzienserpater und ehemaligen "Olympia-Kaplan" Prof. Johannes Paul Chavanne. Außerdem geehrt wurden Maximilian Marhold, Martin Schepelmann und Tobias Zrzavy von der Medizinischen Universität Wien, Prof. Lisa Isola (Universität Wien), Prof. Jana Lasser (Universität Graz), Assoz.-Prof. Julian Léonard (Technische Universität Wien) sowie Natascha Brandstätter (Universität Salzburg).
Der nach Kardinal Theodor Innitzer (1875-1955) benannte Wissenschaftspreis ist eine der angesehensten Auszeichnungen in Österreich. Er wird seit 1962 von der Erzdiözese Wien verliehen und wird maßgeblich vom Wissenschaftsministerium, mehreren Bundesländern, Banken, Versicherungen sowie der Wirtschaftskammer gefördert.
Schönborn überreichte heuer bereits zum 30. Mal den Kardinal-Innitzer-Preis und zugleich das letzte Mal in seiner Rolle als Kardinal, wie er selbst in seiner Laudatio anmerkte.