Seit Jahren in Pfarrkirchen integrierte armenische-jesidische Familie wurde außer Landes gebracht, Großeltern blieben - Kirchliche Engagierte: Habe Verständnis für Angabe falscher Identität
Linz, 25.08.2017 (KAP) Kurz nach dem erfolgreichen Protest gegen die Abschiebung einer armenisch-christlichen Familie hat die Diözese Linz von einem weiteren Härtefall in Pfarrkirchen (OÖ.) berichtet, in dem das Vorgehen der Behörden in Pfarre und Gemeinde für Empörung sorgt: Vier von sechs Mitgliedern einer armenisch-jesidischen Familie, die in der Mühlviertler Gemeinde seit fünf Jahren lebte und bestens integriert war, wurde am Donnerstag außer Landes gebracht, nur das Großelternpaar durfte wegen einer Krebserkankung des Großvaters Yusef bleiben. Davor hatten Bürgermeister und Pfarrgemeinderat in einem Brief an das Bundesasylamt in Linz humanitäres Bleiberecht gefordert - umsonst, was Zara und Said Hassan sowie deren Kinder Tayro und Mahir betrifft.
Als Grund für die Abschiebung wurde seitens der Behörden eine falsche Identitätsangabe genannt, berichtete die bei der Diözese Linz angestellte und ehrenamtlich für die Flüchtlingsfamilie engagierte Margit Scherrer am Freitag im Gespräch mit "Kathpress". Familienvater Said habe vor dem Abflug zugegeben, bei der Einreise nach Österreich einen falschen Namen - Hassan statt Mohayn - angegeben zu haben, den die Familie bereits bei ihrer Flucht aus ihrer Heimat verwendete. Jesiden seien auch in Armenien Schikanen und Bedrohungen ausgesetzt, aus Furcht um seine Kinder habe er mit seinen Angehörigen die Flucht angetreten - unter dem Deckmantel einer falschen Identität.
Wie Margit Scherrer aus verlässlicher Quelle wisse, habe sich Innenminister Wolfgang Sobotka persönlich gegen die u.a. vom oberösterreichischen Landeshauptmann Thomas Stelzer befürwortete Gewährung humanitären Bleiberechts quergelegt: "Lügnern" solle dieses Privileg nicht zugestanden werden. Scherrer dazu: Said "Hassan" habe glaubhaft versichert, dass der andere Name die Fluchtchancen deutlich erhöhte. Aus Sorge um die eigenen Kinder hätten wohl auch viele Österreicher so gehandelt - wie auch schon verfolgte Juden im Dritten Reich, die sich so dem NS-Zugriff entzogen.
Scherrer will den Protest gegen das Auseinanderreißen der Familie gemeinsam mit vielen anderen in Pfarrkirchen fortsetzen, etwa über die sozialen Medien. Ihr sei unverständlich, sagte die hauptberuflich in der Betriebsseelsorge Tätige gegenüber "Kathpress", warum der "junge Teil" einer aufeinander angewiesenen Familie vertrieben werde: Said und Zara hätten sich aufopferungsvoll um die Großeltern gekümmert, die jetzt auf staatliche Unterstützung angewiesen seien. Said sei auch sonst überaus engagiert gewesen und habe seine handwerklichen Fähigkeiten in der Gemeinde eingebracht - etwa durch die tägliche freiwillige Hilfe auf einem Bauernhof, in der wegen eines Todesfalles Not am Mann war. Dass die Arbeitsfähigen und -willigen ausreisen müssen, während die Pflegebedürftigen bleiben, schüre nur das Vorurteil, dass Flüchtlinge der Allgemeinheit auf der Tasche liegen, wies Scherrer hin. Sie hielte es für vernünftig, bereits Asylwerbern Arbeit zu ermöglichen und so Integration zu fördern.
Die "Hassans" wurden zu Beginn der Woche nach Wien ins Anhaltezentrum für Schubhäftlinge gebracht, eines der beiden Kinder holte die Fremdenpolizei dazu aus dem Jungschar-Lager ab, hatte die Diözese Linz noch am Mittwoch berichtet. Eine spontane Protest-Kundgebung in Pfarrkirchen war demnach ebenso Folge wie ein Protestbrief an das Bundesasylamt.
"Beispiel einer geglückten Integration"
Nach Österreich kam die sechsköpfige Familie 2012. Nach kurzem Aufenthalt in Wien wurde sie nach Pfarrkirchen im Mühlkreis überstellt und durch die Volkshilfe Rohrbach betreut. Dank des Bemühens von Bürgermeister Hermann Gierlinger übersiedelte die Familie heuer in eine private Wohnung in Pfarrkirchen. "Die Familie ist sehr bemüht, sich in der Bevölkerung zu integrieren. Sie hält zahlreiche Kontakte zur Bevölkerung und engagiert sich stets freiwillig bei gemeinnützigen Arbeiten", teilte die Diözese vor der Abschiebung mit. Hervorgehoben wurde auch das große Bemühen der Familie, die deutsche Sprache zu lernen: Das Elternpaar und auch die Großmutter Base bestanden Sprachprüfungen.
Bereits vor dreieinhalb Jahren musste die Familie eine Sprachanalyse mitmachen, bei der Zweifel an der vermeintlichen syrischen Herkunft aufkamen. Dann geschah lange Zeit nichts, die Familie wurde - wie Margit Scherrer betonte - zu einer "Bereicherung für das Leben im Ort und in der Gemeinde" und zum "Beispiel einer geglückten Integration". Der Abschiebebescheid wurde der Familie erst zu einem Zeitpunkt ausgehändigt, als ein Antrag auf aufschiebende Wirkung nicht mehr rechtzeitig eingebracht werden konnte, kritisierte der die Familie vertretende Flüchtlingsanwalt Georg Bürstmayr. Er brachte Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht ein, das nun entscheiden muss.
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