Katholische Verbindungen gedenken Ernst Karl Winters
28.01.201915:36
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60. Todestag des Historikers und Soziologen, der 1934-1936 Wiener Vizebürgermeister war und zu den nachhaltigsten Warnern vor der Gefahr des Nationalsozialismus gehörte
Wien, 28.01.2019 (KAP) Die österreichischen katholischen Verbindungen gedenken in diesen Wochen des Wissenschaftlers und Politikers Ernst Karl Winter (1895-1959), dessen Todestag sich am 4. Februar zum 60. Mal jährt. Winter, ein Historiker und Soziologe, war 1934-1936 Wiener Vizebürgermeister. Er gehörte zu den nachhaltigsten Warnern vor der Gefahr des Nationalsozialismus und emigrierte nach der deutschen Okkupation Österreichs in die USA.
Winter, Mitglied der katholischen Studentenverbindung "Nibelungia" und engagierter Katholik, wurde am 1. September 1895 in Wien in einer gutbürgerlichen Familie geboren. Während seiner Schulzeit trat er der katholischen Jugendbewegung von Anton Orel bei, dessen Idee eines antikapitalistischen und monarchischen Ständestaats ihn stark beeindruckte. Als Einjährig-Freiwilliger lernte er in seinem Regiment der Tiroler Kaiserschützen Engelbert Dollfuß als Kameraden kennen, mit dem er zeitlebens freundschaftlich verbunden blieb. Er absolvierte das Studium der Rechts- und Staatswissenschaft sowie der Soziologie und Geschichte, mit Promotion bei Hans Kelsen, Othmar Spann und Max Adler. Seine Habilitation über Herzog Rudolf den Stifter und die österreichische Staatsidee scheiterte allerdings am deutschnationalen Klima an der Universität.
Anschließend war Winter freier Publizist und Privatgelehrter. Generell waren Winters Publikationen von seinem katholischen Glauben, seiner platonischen Philosophie und seiner schon früh gegen den Nationalsozialismus eingestellten politischen Linie gekennzeichnet. Ernst Karl Winter war ein Verfechter einer "sozialen Monarchie" und einer der ersten Vertreter des Umweltschutzes. Seine Ideen beeinflussten u.a. den Soziologen August Maria Knoll (er begründete mit Karl Kummer das bis heute unter diesem Namen firmierende Institut für Sozial- und Wirtschaftspolitik in Wien), den Gründer der Paneuropa-Bewegung, Richard Coudenhove-Kalergi und den Publizisten Alfred Missong. 1926 wurde von Hans Zeßner-Spitzenberg, Ernst Karl Winter, August M. Knoll und Alfred Missong die "Österreichische Aktion" gegründet, die u.a. die Eigenständigkeit einer österreichischen Nation propagierte. Winters Devise lautete "rechts stehen und links denken".
Nach dem 12. Februar 1934 versuchte Dollfuß, der Sozialdemokratie doch zu ihren Rechten zu verhelfen. Dollfuß setzte Ernst Karl Winter - als Mittler zwischen autoritären Ständestaat und Sozialdemokratie ("Aktion Winter") - zum 3. Vizebürgermeister von Wien ein. Doch nach der Ermordung von Dollfuß (25. Juli 1934) und Unstimmigkeiten mit Kurt Schuschnigg wurde Winter im Gefolge des Juliabkommens mit dem nationalsozialistischen Deutschland am 24. Oktober 1936 seines Amtes enthoben.
Wenige Tage vor dem Anschluss Österreichs gelang es ihm, mit seiner Familie über die Schweiz in die USA zu emigrieren. In New York versammelte Winter die Exil-Österreicher, gründete 1939 das "Austrian American Center" und konnte sich als Professor für Sozialphilosophie und Soziologie an der New York School for Social Research in New Rochelle und in der Folge Gastprofessuren an verschiedenen Universitäten eine neue Existenz aufbauen.
Winters erste Rückkehrversuche nach Österreich gleich nach dem Krieg - er hoffte auf eine Professur in Graz - scheiterten, erst 1955 gelang ihm eine Übersiedlung nach Wien, wo er sich noch im selben Jahr an der Universität Wien für Soziologie habilitierte. Er lehrte einige Zeit an der Universität und beschäftigte sich in seinen letzten Lebensjahren vermehrt mit Fragen der Religion. Ernst Karl Winter starb am 4. Februar 1959 in Wien und wurde auf dem Friedhof Wien-Gersthof beerdigt.
Sein nachgelassenes Werk "Die Geschichte des österreichischen Volkes" wurde bereits 1945 fertiggestellt und ist im Oktober 2018 im Plattform-Verlag/Johannes-Martinek Verlag (www.plattform martinek) erstmals erschienen. Es wurde am 29. Oktober in Wien (Club Stephansplatz 4) vom früheren Wiener Stadtschulratspräsidenten Kurt Scholz und dem Herausgeber, dem Wiener Philosophen Prof. Paul R. Tarmann, präsentiert.
Winter sei nach seiner Rückkehr in Österreich ein "Außenseiter" geblieben, dem die
Öffentlichkeit verwehrt blieb, weil er als Person gleichsam wie "das schlechte Gewissen" Österreich an das Versagen in der Zeit ab 1938 erinnert habe. Darauf verwies Tarman im Zuge der Buchpräsentation. Das erkläre, weshalb nach dem Krieg in Österreich kein Interesse an Winter, und seiner "Geschichte des österreichischen Volkes" vorhanden war, die daher nicht gedruckt wurde. Dennoch sei das Werk von bleibender Aktualität, weil es die Themen Integration und Migration anhand der Geschichte Österreichs behandelt. Winter zeige darin "das romanische Erbe, der slawische Einschlag und die germanische Überdachung der österreichischen Identität" auf", so Tarmann. Dabei sei es zu einer "Vereinigung der regionalen Identitäten zu und die Identifikation mit einem großen Ganzen", gekommen.