Bürgermeister Ludwig kündigt Kauf des Grundstücks in Seestadt Aspern an - Kardinal Schönborn: Interreligiöses Projekt hat "Point of no return" erreicht - Spatenstich 2020, Eröffnung 2022
Wien, 26.02.2019 (KAP) Der geplante Wiener "Campus der Religionen" kommt seiner Verwirklichung näher: Nach der 2015 erfolgten Segnung der vorgesehenen Fläche in der Seestadt Aspern will nun die Stadt Wien den beteiligten Religionsgemeinschaften das 10.000-Quadratmeter-Grundstück schenken, was der Gemeinderat im März beschließen wird. Nach einem Architekturwettbewerb und der Baugenehmigung könnten 2020 der Spatenstich und 2022 die Eröffnung stattfinden, gaben Bürgermeister Michael Ludwig und Kardinal Christoph Schönborn am Dienstag bekannt. Dabei wurde erstmals auch die geplante Übersiedlung der Kirchlich-Pädagogische Hochschule vom bisherigen Standort Wien-Strebersdorf in die Seestadt angekündigt.
Die nächsten Schritte des Projekts - darunter die Gründung eines Vereins und der geplante Start einer GmbH - wurden am Dienstag bei einem Treffen der Stadtspitzen mit den Religionsvertretern im Wiener Rathaus besprochen. Neben Bürgermeister Ludwig und Erzbischof Schönborn nahmen der evangelische Superintendent Matthias Geist, der orthodoxe Priester Athanasius Buk, der Wiener Oberrabbiner Arie Folger, der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGÖ), Ümit Vural, Gerhard Weißgrab von der Buddhistischen Religionsgesellschaft, der Hirte Walter Hessler von der Neuapostolischen Kirche sowie Gursharan Singh Mangat von den Sikhs teil. Weiterhin sei man bei dem Projekt offen auch für andere Religionsgemeinschaften, die sich bisher nicht zur Teilnahme entschließen konnten, erklärte Ludwig.
So wie die Seestadt wachse, wachse auch das Projekt des Campus, und es habe bereits viele Annäherungen und Gespräche gegeben, "damit die gemeinsame Idee wirklich Wurzeln schlägt", teilte Kardinal Schönborn gegenüber "Kathpress" mit. Das Treffen am Dienstag bei Bürgermeister Ludwig habe gezeigt, dass das Projekt mittlerweile einen "Point of no return" erreicht habe. Deutlich sichtbar sei der gemeinsame Wille der Stadt und der Religionsgemeinschaften, was nun folge, seien die "Mühen der Ebenen" wie die praktischen und rechtlichen Fragen. Er habe aber den Eindruck, dass das Projekt "jetzt wirklich auf dem Weg" sei, erklärte der Wiener Erzbischof.
Jede Religion gestaltet Objekt selbst
Wie es bei dem gemeinsamen Pressestatement hieß, sei nun entgegen den früheren Vorstellungen kein gemeinsames Bauwerk beim "Campus" vorgesehen. Man habe sich vielmehr darauf verständigt, dass jede beteiligte Religionsgemeinschaft ihr Objekt selbst gestalten könne. Bürgermeister Ludwig betonte allerdings, ihm sei eine architektonische "Landmark" für die Seestadt wichtig. Die einzelnen Campusteile sollen der seelsorgerischen Arbeit in der Seestadt oder auch als Anlaufstelle für die jeweiligen Mitglieder der Religionsgemeinschaft oder auch für interessierte Gäste dienen. Die Kosten für die einzelnen Gebäude seien von den Religionsgemeinschaften zu tragen, wobei Ludwig sich dazu bereit erklärte, zur Unterstützung der kleineren Gemeinschaften eine Sammelaktion zu initiieren.
Als künftiger Ort für interreligiöse Begegnung könnten die Räumlichkeiten der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule (KPH) Wien/Krems dienen, dessen Übersiedlung vom bisherigen Standort in Wien-Strebersdorf in die Seestadt geplant ist, wie es hieß. Der künftige Bau könne dann einen wichtigen Teil des "Campus der Religionen" darstellen. Die KPH Wien/Krems ist mit insgesamt 3.500 Studierenden in der Erst- und Weiterbildung die größte Lehrerausbildungsstätte Österreichs und gilt als landesweites Vorzeigeprojekt für den Religionsdialog: Schon jetzt bietet es die Ausbildung zum Religionslehrer in sechs verschiedenen Konfessionen und Religionen - katholisch, evangelisch, orthodox, freikirchlich, islamisch und alevitisch.
Modell für Frieden
Sowohl Ludwig als auch Schönborn hoben den Modellcharakter des "Campus der Religionen" hervor. Ebenso wie die derzeit entstehende Seestadt Aspern aufzeige, was die "Stadt der Zukunft" ausmache, könne das hier angesiedelte Gemeinschaftsprojekt der Religionen aufzeigen, dass zwischen ihnen ein "Miteinander statt Nebeneinander" möglich sei zur Stärkung des gesellschaftlichen Friedens und zur Verhinderung von Radikalismus und Spaltungen. "Ein gelebtes Füreinander schließt aus, dass man den anderen ausschließt", erklärte der Stadtchef.
Schulterschluss nach Vandalenakten
Deutlich geworden sei dies nach Vandalenakten gegen eine der auf dem vorgesehenen Bauplatz aufgestellten Fahnen: Die anderen beteiligten Religionsgemeinschaften hätten daraufhin unverzüglich gemeinsam dagegen protestiert und ihre Solidarität mit der betroffenen Israelitischen Kultusgemeinde erklärt. Das habe gezeigt, "dass der Angriff gegen eine Religion eine gegen alle zugleich ist", so der Bürgermeister. Gemeinschaft über Religionsgrenzen werde hier gelebt, "nicht nur in Sonntagsreden, sondern Schulter an Schulter".
Kardinal Schönborn dankte dem Wiener Bürgermeister dafür, das interreligiöse Projekt als "Herzensanliegen" voranzutreiben. Der "Campus der Religionen" spiegle den fortgeschrittenen Religionsdialog in Wien wider. In einer "Zeit, in der Gegensätze akzentuiert werden und Religion als Problem gesehen und leider auch erlebt wird", zeige das interreligiöse Projekt, "dass ein gemeinsamer Weg gelingen kann". Viel Wert lege er auf die Bezeichnung "Campus", gehe es doch nicht um eine "Festung, in der sich Religionen verschanzen", sondern um das Signal der Offenheit und des gemeinsamen Einsatzes auch mit der Zivilgesellschaft für das Allgemeinwohl.
Ümit Vural von der Islamischen Glaubensgemeinschaft berichtete gegenüber "Kathpress" von einem "freundschaftlichen, fast geschwisterlichen" Gespräch mit den anderen Religionen im Zuge der Campus-Planung. Er sei dankbar für das Vorhaben, "an einem gemeinsamen Tisch ein gemeinsames Projekt zu realisieren"; schließlich sei es auf diese Weise möglich, "in Wien als Religionen ein positives Miteinander vorzuleben". Als seine persönliche Aufgabe sehe er es, innerhalb der muslimischen Community für das Projekt zu werben, da er hier noch Aufklärungs- und Informationsbedarf sehe, so der IGGÖ-Präsident.