Bei Franziskus' Amtsantritt waren die Beziehungen zwischen dem Vatikan und der islamischen Welt im Keller - Aber dann hauchte der Papst dem Religionsdialog mit einer Charmeoffensive neues Leben ein - Von Christoph Schmidt
Vatikanstadt, 14.03.2019 (KAP/KNA) Zwei Monate nach seinem Besuch in den Vereinigten Arabischen Emiraten reist Papst Franziskus Ende März nach Marokko. Das Gespräch mit der islamischen Welt hat für das Oberhaupt der katholischen Kirche offenbar Priorität. Der Vatikan teilte mit, beide Papstreisen erinnerten an das Treffen des Heiligen Franziskus mit Sultan Al-Kamil vor 800 Jahren im ägyptischen Damiette - eine der ungewöhnlichsten interreligiösen Begegnungen inmitten der Kreuzzüge. Heute sind die Beziehungen zwischen Kirche und Islam zumindest auf der Führungsebene vitaler denn je.
Dabei hatte Papst Franziskus von seinem Vorgänger Benedikt XVI. (2005-2013) kein leichtes Erbe übernommen. Dessen Regensburger Rede sorgte 2006 wegen der Verwendung eines islamkritischen Zitats für hitzige Empörung unter Muslimen weltweit, bis hin zu Gewaltausbrüchen. Fünf Jahre später brach die renommierte Kairoer Al-Azhar-Universität den Dialog mit dem Vatikan ab, weil Benedikt XVI. sich erlaubt hatte, nach einem mörderischen Anschlag auf einen koptischen Gottesdienst mehr Schutz für die Christen in Ägypten einzufordern.
Soviel Direktheit hat Franziskus bisher vermieden. Sie widerspricht seinem Dialogverständnis in Zeiten, in denen die Christen des Nahen Ostens durch den islamischen Fundamentalismus vor der Existenzfrage stehen. Fast flehend formulierte er in seinem Lehrschreiben "Evangelii gaudium" (2013): "Ich ersuche diese Länder demütig darum, in Anbetracht der Freiheit, welche die Angehörigen des Islam in den westlichen Ländern genießen, den Christen Freiheit zu gewähren, damit sie ihren Gottesdienst feiern und ihren Glauben leben können."
Das Eis brach der Argentinier vor allem durch Gesten. So sorgten seine Fußwaschungen an muslimischen Häftlingen vor Osterfesten oder sein Einsatz für Syrien-Flüchtlinge jedes Mal für warme Kommentare in islamischen Leitmedien. Bald bot die Al-Azhar-Universität dem Vatikan wieder das Gespräch an, seit 2017 finden wieder regelmäßige Treffen mit Vertretern des päpstlichen Dialogrates statt.
Beide Institutionen wollten sich zusammen für Frieden und eine sozial gerechtere Welt, gegen Gewalt und Fanatismus im Namen der Religion einsetzen, hieß es damals in einer gemeinsamen Erklärung. Kurz darauf reiste der Papst selbst nach Ägypten, nachdem er 2014 bereits Jordanien und die Türkei besucht hatte. Mit dem Rektor der führenden sunnitischen Lehrstätte, Ahmad al-Tayyeb, verbindet Franziskus inzwischen beinahe so etwas wie eine spirituelle Freundschaft.
Anfang Februar unterzeichneten beide in Abu Dhabi eine Erklärung der Brüderlichkeit zwischen beiden Religionen. Das Dokument hat auch deshalb historischen Rang, weil Franziskus dazu als erster Papst die Arabische Halbinsel, die Geburtsregion des Islam, besuchte. Es verurteilt abermals Extremismus im Namen Gottes und wirbt für die Menschenrechte.
Genau daran hapert es aber in der islamischen Welt. Der langjährige Präsident des Päpstlichen Rates für den Interreligiösen Dialog, Kardinal Jean-Louis Tauran, erklärte vor seinem Tod vergangenes Jahr immer wieder die Frage der Religionsfreiheit zur Nagelprobe für den Wert der Gespräche. Er kritisierte eine gewisse Oberflächlichkeit im christlich-islamischen Dialog, der oftmals über die Betonung ethischer Gemeinsamkeiten und Floskeln des guten Willens nicht hinauskomme.
Zumindest die theologischen Gegensätze lassen sich nicht aufheben: Für Muslime ist es unvorstellbar, einen Menschen als Sohn Gottes anzubeten. Für sie ist Jesus lediglich ein Prophet, das Evangelium verfälscht. Christen wiederum können Mohammed nicht als göttlichen Gesandten und Überbringer einer weiteren Offenbarung anerkennen. Immerhin war es eine Sensation, als das Konzilsdokument "Nostra aetate" 1965 nach Jahrhunderten der Feindschaft feststellte, die Kirche betrachte Muslime mit Hochachtung, "die den alleinigen Gott anbeten".
Papst Franziskus geht es bei seinen Dialogbemühungen weniger um Theologie wie seinem Vorgänger. Auf diesem Feld brauche es "Geduld und Bescheidenheit", um "peinliche Situationen" zu vermeiden. Er setzt auf praktische Berührungspunkte bei der Lösung von Konflikten, Umweltschutz oder sozialer Gerechtigkeit.
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