Orthodoxe Kirche in Bulgarien ist bei der Ökumene zurückhaltend
26.04.201909:01
Bulgarien/Kirche/Geschichte/Orthodoxe
Die Vereinnahmung durch die Kommunisten wirkt nach, auch Papst Franziskus erwartet ein kühler Empfang - Hintergrundbericht von Heinz Gstrein
Sofia, 26.04.2019 (KAP/KNA) Wenn Papst Franziskus eine Reise unternimmt, wird er vor Ort meist auch von Menschen anderer Konfessionen sehr herzlich empfangen. Bei seinem Bulgarien-Besuch Anfang Mai dürfte das anders sein. In Sofia wird der Papst auf eine orthodoxe Kirche treffen, die ihn mit kühler Distanz erwartet. Kein gemeinsames Gebet, erst recht keinen ökumenischen Gottesdienst soll es geben, kündigte die Bischofssynode Anfang April an. Immerhin äußerte Patriarch Neofit später die Hoffnung, dass seine Begegnung mit dem Papst "im Geist von Verständnis und guten Beziehungen" stehen werde.
In der Tat war die Bulgarische Orthodoxe Kirche bis in die neueste Zeit durchaus ökumenisch aufgeschlossen. Sie zählt heute etwa sechs Millionen Gläubige in Bulgarien und weitere zwei Millionen in einer weltweit gewordenen Diaspora. Der in Berlin residierende Bischof für West- und Mitteleuropa, Metropolit Antonij (Mihalev), ist auch für die bulgarisch-orthodoxe Kirchengemeinde in Österreich zuständig, die 1967 gegründet und 1969 staatlich anerkannt wurde. Vor Ort wird die Bulgarische Orthodoxe Kirche in Österreich seit 1990 von Bischofsvikar Ivan Petkin vertreten. Liturgisches Zentrum für die bulgarischen Gläubigen aus ganz Österreich ist die 2017 fertiggestellte Kirche in der Dunklergasse in Wien-Meidling.
Zankapfel zwischen Konstantinopel und Rom
Historisch kam das ursprünglich türkische Volk der Bulgaren im Gefolge der Völkerwanderung auf den Balkan, nahm dort die slawische Sprache und im 9. Jahrhundert das Christentum an. Um seine kirchliche Zugehörigkeit entbrannte ein halbes Jahrtausend lang Streit zwischen Konstantinopel und Rom, der zur Entfremdung und schließlich Trennung von Orthodoxen und Katholiken in ihrer Gesamtheit beitrug. Unter der osmanischen Herrschaft wurden die Bulgaren dem griechisch-orthodoxen Religionsvolk (rum milleti) einverleibt, bis 1767 noch mit einer eigenen Erzdiözese in Ohrid, dann direkt unter dem Ökumenischen Patriarchen in Konstantinopel.
Katholiken gab es im osmanischen Bulgarien so gut wie keine, bis es im 17. Jahrhundert den Franziskanern - ähnlich wie in Bosnien bei den Bogomilen - gelang, die spätgnostische Gemeinschaft der Paulikianer zu bekehren. Erhalten blieb von diesen nur der Name Pavlikeni oder Palceni für die katholischen Bulgaren des römischen Ritus. Bei ihren Nachkommen wird Papst Franziskus während seines anstehenden Besuchs in der Stadt Rakowski die Erstkommunion spenden. Da es sich bei ihnen nicht um für den Katholizismus gewonnene Orthodoxe handelt, war und ist für das Verhältnis beider Konfessionen in Bulgarien an und für sich gut. Kulturgeschichtlich kommt ihnen auch zugute, dass auf ihre Initiative hin in Rom 1651 mit dem "Abagar" das erste Buch mit sprachlichen Elementen des Neubulgarischen gedruckt worden ist.
Bei den Bulgaren herrschen aber ebenso kaum Vorurteile und Feindseligkeit gegen Ostkatholiken des byzantinischen Ritus. Diese Unierten werden anderswo - vor allem in der Ukraine - als Haupthindernis für orthodox-katholische Verständigung betrachtet. Nicht so in Bulgarien. Die bulgarische "Union von Kukes" hat sich als Vorläufer des Wiedererstehens einer von Konstantinopel eigenständigen Orthodoxie 1870 von allen Seiten anerkannte Verdienste erworben. Sie wurde sogar während der kommunistischen Herrschaft zwar verfolgt, aber nicht wie in der Sowjetunion oder Rumänien aufgehoben.
Abkehr von der Ökumene nach der Wende
Die Kommunisten in Sofia setzten das ökumenische Erbe der bulgarischen Orthodoxen gezielt für ihre Weltfriedenspropaganda ein. So geriet der Ökumenismus in Bulgarien im glaubenstreuen Volk und Klerus erstmals in Verruf. Nach der Wende von 1989/90 erfolgte daher in der bulgarischen Orthodoxie eine Abkehr von der Ökumene, die zusammen mit anderen Faktoren sogar zu einer Spaltung zwischen der durch Kollaboration belasteten Patriarchatskirche und einer "echt orthodoxen" Alternativ-Synode führte, die 1996 einen Gegenpatriarchen aufstellte. Um diesem ökumenefeindlichen Lager keine Angriffsflächen zu bieten, trat die kanonische Bulgarische Orthodoxe Kirche Ende 1998 aus dem weltweiten Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK) und der Konferenz Europäischer Kirchen (KEK) aus.
Auch Johannes Paul II. (1978-2005), der als bisher einziger Papst Bulgarien besucht hat, bekam bei seiner Visite im Jahr 2002 diesen Gegenwind zu spüren. In der Folge war besonders Metropolit Kyrill Kovacev von Varna bemüht, die bulgarische Orthodoxie aus ihrem ökumenischen Abseits wieder herauszuführen. So veranstaltete er 2006 zusammen mit dem Wiener Erzbischof Kardinal Christoph Schönborn und der Stiftung "Pro Oriente" eine orthodox-katholische Tagung.
Als Kyrill nach dem Tod des damaligen Patriarchen Maksim Ende 2012 zum "locum tenens" gewählt wurde, schien ein Neuaufbruch in die Ökumene möglich. Doch starb Kyrill 2013 im Schwarzen Meer bei einem tragischen Badeunfall. In der Folge geriet die bulgarisch-orthodoxe Kirche durch fast völlige Absorbierung der "Alternativ-Kirche" wieder stark auf antiökumenischen Kurs.
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