Brennende Wälder, Reformhoffnungen und Warnungen vor einer Kirchenspaltung: Die weltpolitische wie auch die innerkirchliche Kulisse der vom Papst einberufenen Sondersynode für Amazonien beschert dem dreiwöchigen Bischofstreffen im Vatikan eine besondere Aufmerksamkeit
Vatikanstadt, 20.09.2019 (KAP) Es war so nicht zu erwarten: Aber wenn Papst Franziskus sowie Dutzende Bischöfe und Experten aus aller Welt ab dem 6. Oktober im Vatikan über den Amazonas-Regenwald und die dortigen Indigenen sprechen, gerät dies in vielerlei Hinsicht zu einem Politikum. Zuletzt wurde die weltpolitische wie innerkirchliche Kulisse der Sondersynode für Amazonien noch bedeutender. Brennende Regenwälder, ein mögliches Platzen des weltweit größten Handelsabkommens zwischen Mercosur und EU sowie diplomatische Verwicklungen zwischen Brasilien und Frankreich bis hin zur Frage, ob es in der römisch-katholischen Kirche bald verheiratete Priester oder "heidnische Einflüsse" in der Liturgie gibt: All dies sorgt in den vergangenen Monaten immer wieder für Streit - und deshalb Aufmerksamkeit.
Dass diese so breit gestreut ist, liegt auch am dreiteiligen Themenspektrum der dreiwöchigen Synode: Ökologie Amazoniens, Kultur und Rechte der Indigenen sowie kirchliche Seelsorge. "Amazonien - Neue Wege für die Kirche und für eine ganzheitliche Ökologie" lautet der Titel des bis 27. Oktober angesetzten Treffens, unter dem sich viele Vorschläge und Ideen versammeln lassen.
Gelten sollen diese neuen Wege vor allem für das rund 7,5 Millionen Quadratkilometer große Amazonas-Gebiet, das in neun Staaten reicht. Dort lebt eine indigene Bevölkerung von rund drei Millionen Menschen, zusammengesetzt aus etwa 390 verschiedenen Völkern und Nationalitäten in sehr weit verstreuten Siedlungen. Hinzu kommen Landarbeiter eingewanderte Landarbeiter und Projekte internationaler Wirtschaftsunternehmen.
Papst Franziskus selbst misst dem dreiwöchigen Bischofstreffen große Bedeutung und Dringlichkeit zu. Das Amazonas-Gebiet sei eine entscheidende Region, nicht nur weil von dort ein Großteil des weltweiten Sauerstoffs stamme, sagte das Kirchenoberhaupt Anfang August in einem Zeitungsinterview. Eine Entwaldung Amazoniens bedeute, "die Menschheit zu töten", so der Papst.
Wegen der anhaltenden Waldbrände in mehreren Amazonas-Staaten kam es mittlerweile zu internationalen Spannungen. Äußerungen des französischen Präsidenten Emanuel Macron, der Regenwald am Amazonas gehöre der ganzen Menschheit, wurden von Brasiliens Präsidenten Jair Bolsonaro empört zurückgewiesen. Kritiker werfen dem Brasilianer dagegen vor, Landwirte und Landarbeiter mit Äußerungen zu den Bränden angestachelt zu haben, um illegal an Flächen zu gelangen.
Handeln statt Panik
Als Konsequenz forderte der brasilianische Kardinal Claudio Hummes - er hat als Generalrelator der Amazonien-Synode und Präsident des kirchlichen Pan-Amazonas Netzwerkes REPAM eine wesentliche Rolle bei dem Bischofstreffen - bereits dringend andere Entwicklungsmodelle. Bisher herrschten in Amazonien wirtschaftliche und private Interessen vor, die einer "Neuauflage des Kolonialismus" gleichkämen, schrieb er in der Vatikanzeitung "Osservatore Romano". Wenn sich daran nichts ändere, "wird die ganze Region zerstört werden, mit all den verheerenden Folgen, die schon absehbar sind".
Für die indigenen Völker der Region dränge die Zeit angesichts von Umweltzerstörung, Klimawandel und Existenzbedrohung, betonte auch die Geschäftsführerin der Koordinierungsstelle der Österreichischen Bischofskonferenz für internationale Entwicklung und Mission (KOO), Anja Appel. Das sollte jedoch nicht Panik auslösen, sondern vielmehr ein dringend nötiges Handeln und konkrete Maßnahmen anstoßen. "So könnte aus der Krise ein 'Kairos' - ein Gnadenmoment - werden", so die Entwicklungsexpertin.
Dass die katholische Kirche weltweit so großes Interesse am Regenwald zeigt, beobachtet die Regierung in Brasilia jedenfalls besorgt. Sie sieht ihre wirtschaftlichen Interessen betroffen. Dass ein weiteres Schrumpfen des südamerikanischen Regenwaldes massive Auswirkungen auf das Klima hat, steht für Forscher außer Frage.
Keine Ökologie-Experten-Konferenz
Papst Franziskus warnte indes davor, die Synode als Konferenz ökologischer Experten misszuverstehen. Vielmehr gehe es um die Mission der Kirche, Menschen die christliche Botschaft besser zu vermitteln. Was die "neuen Wege für die Kirche" betrifft, verneinte der Papst die Frage, ob die oft genannten "viri probati" - ältere verheiratete Männer, die zu Priestern geweiht würden - ein wichtiges Thema seien. Dies sei "nur eine Nummer" im Arbeitsdokument der Synode. Mehrfach stellte er bereits klar, es werde unter ihm keine generelle Abschaffung des Zölibats oder eine Lösung mit Wahlmöglichkeit geben.
Der entsprechende Passus im Arbeitsdokument der Synode jedenfalls empfiehlt, "das Folgende zu beachten": "Die Gemeinden können nur selten die Eucharistie feiern, weil es an Priestern fehlt. (...) Aus diesem Grunde wird darum gebeten, die Kriterien für die Auswahl und Vorbereitung der zur Zelebration autorisierten Amtsträger zu ändern, statt die Gemeinden ohne Eucharistie zu lassen" (Nr. 126 c).
Den Charakter des Bischofstreffens als "Spezialsynode für Amazonien" betonte auch Fabio Fabene, Untersekretär der Bischofssynode, bei der Vorstellung des rund 140 Seiten starken Arbeitsdokumentes Mitte Juni im Vatikan. Keineswegs gehe es darum, der gesamten katholischen Kirche ein "amazonisches Aussehen" zu geben.
Intensive Vorbereitung
Das Arbeitspapier fußt auf einem längeren Beratungsprozess. Über ein Jahr lang wurden auf 260 Veranstaltungen vor Ort in Südamerika die Themen und Anliegen sondiert. Dem peruanischen Kardinal Pedro Barreto Jimeno zufolge beteiligten sich an dieser Meinungsbildung insgesamt 87.000 Personen. Die breitere Vorbereitung ist Folge einer Synodenreform, die Franziskus 2018 einführte.
Neben der Möglichkeit, in entlegenen Gegenden eventuell ältere und angesehene Familienväter zur Priesterweihe zuzulassen, erwähnt das Papier neue Räume für kirchliche Ämter, auch für Frauen. Dabei geht es laut Fabene nicht um den Diakonat. Wohl aber darum, die Kultur der Indigenen mehr zu schätzen und die christliche Botschaft besser in die jeweilige Kultur zu übersetzen.
Werden auf der einen Seite Kirchenvertreter wie der brasilianisch-österreichische Amazonas-Bischof Erwin Kräutler oder der deutsche "Adveniat"-Bischof Franz-Josef Overbeck zu Kronzeugen großer Reformschritte gemacht, so werden umgekehrt andere Amazonas-Bischöfe und Kardinäle zu mahnenden Propheten und Warnern hochgeschrieben.
Deren tatsächliche Aussagen wägen aber meist doch stärker ab und formulieren differenzierter. So hält der frühere Glaubenspräfekt Kardinal Gerhard Ludwig Müller, die hinter dem Vorbereitungsdokument stehende "Theologia indigena" und die "Ökotheologie" zwar für eine "Kopfgeburt von Sozialromantikern". Eine bessere Inkulturation des Christentums in Amazonien unter Beachtung der traditionellen katholischen Lehre, sieht er gleichwohl als geboten an. Andere, wie Kurienkardinal Robert Sarah, unken bereits von einer Kirchenspaltung, münzen das aber nicht allein auf die Synode.
Hoffnung auf ein Signal
Umgekehrt erhoffen sich etwa die beiden deutschen kirchlichen Hilfswerke Misereor und Adveniat ein "Signal des Aufbruchs". Die Synode solle zeigen, "dass Wandel in Politik, Wirtschaft, Technik und nicht zuletzt auch in Kirche möglich ist", so die Hauptgeschäftsführer Pirmin Spiegel und Michael Heinz in einem Vorwort zur deutschen Übersetzung des Arbeitsdokumentes.
Noch konkretere Hoffnungen auf auch für die Kirche in Europa relevante Ergebnisse äußerten österreichische Kirchenreform-Gruppierungen. Eine Öffnung in der Frage des Zölibats sowie der Frage des Priestertums für Frauen sei zwar "nicht realistisch, aber auch nicht unwahrscheinlich", meinte etwa "Pfarrer-Initiative"-Obmann Helmut Schüller.
Demgegenüber warnte der deutsche Jesuit Bernd Hagenkord nach einer Amazonien-Reise davor, die Synode zu benutzen, um Probleme der Kirche in Europa und Nordamerika zu thematisieren. "Wir können in dieser Diskussion nicht unsere europäischen Fragen wie Sexualmoral, Macht und Autorität diskutieren", hielt er fest. In Amazonien würde dies bereits als "neuer Kolonialismus" aufgefasst.
Am Tag vor Beginn der Synode ernennt Papst Franziskus übrigens zehn neue wahlberechtigte Kardinäle, von denen die Hälfte spanisch oder portugiesisch spricht. Es wird sich dann zeigen, ob und wie die katholische Kirche im Norden fähig ist, den durchaus vielschichtigen Stimmen aus dem Süden zuzuhören und deren eigene Kompetenz anzuerkennen.
Kathpress-Themenschwerpunkt mit Meldungen und Hintergrundberichten zur bevorstehenden Amazonien-Synode abrufbar unter www.kathpress.at/amazoniensynode