Auch früherer Innsbrucker Dogmatiker Niewiadomski mit Vorbehalten gegen "virtuelle" Gottesdienste via Livestream: Das Sakrament verlangt "das reale Essen des eucharistischen Brotes" - Möglichkeit wäre ein Rückgriff auf die alte Tradition, die Eucharistie von Angehörigen in die Häuser holen zu lassen
Innsbruck, 18.03.2020 (KAP) Die Kirche täte gut daran, die Gläubigen rechtzeitig darauf vorzubereiten, wie sie das kommende Osterfest würdig in den eigenen vier Wänden feiern kann. Das hat der emeritierte Innsbrucker Dogmatik-Professor Jozef Niewiadomski in einer Stellungnahme gegenüber Kathpress betont. Es sei nicht absehbar, dass das verordnete und auch durch den "gesunden Menschenverstand" gebotene "Social distancing" bis Ostern beendet sei. Daher solle man rechtzeitig über "neue Modelle kirchlich-sakramentaler Präsenz" nachdenken - und vor allem Alternativen zur Gottesdienst(mit)feier vor dem Fernseher oder Bildschirm aufzuzeigen.
Die Betrachtung von Gottesdienstübertragungen könne nämlich "höchstens in der Logik vom 'Nachtisch' verstanden werden" - nicht jedoch als Ersatz für das Essen des eucharistischen Brotes, führte Niewiadomski weiter aus: Die Eucharistie im Fernsehen bzw. am Bildschirm bleibe letztlich bloßes Zeichen und verweise auf eine andernorts real gefeierte Eucharistie - insofern ersetze sie die Eucharistie nicht: "Die Dimension der Sakramentalität verlangt das Essen des eucharistischen Brotes".
So verständlich die aktuellen Versuche daher auch seien, durch mediale Vermittlung gottesdienstliches Leben aufrecht zu erhalten, so klar müsse gesagt werden, dass dies nicht zu einem Verwischen der Unterschiede führen dürfe. Medial vermittelte Gottesdienste stünden "im Dienste der Entleiblichung von Kommunikation" - die Eucharistie verfolge indes das genaue Gegenteil, nämlich die "Vergegenwärtigung der damals an konkreten Orten und in konkreter Zeit stattgefundenen Ereignisse", so der Theologe weiter.
Um an diese leibliche Dimension anzuknüpfen schlägt Niewiadomski daher auch vor, im Blick auf Ostern an die "Tradition der seit Alters her gepflegten Kommunion für und mit den Kranken" anzuknüpfen. Anders gesagt: "Die Bischofskonferenz müsste die Empfehlung geben, dass kirchlich gebundene Menschen in 'ihren' Kirchengemeinden die Eucharistie für die Angehörigen holen". Dabei seien gewiss alle notwendigen hygienischen Vorsichtsmaßnahmen zu treffen; eine solche Wiederbelebung einer alten Tradition würde aber eine doppelte Funktion erfüllen: Sie würde der befürchteten "Entleiblichung" der sakramentalen Feier entgegenwirken und zudem "ein Zeichen der tagtäglich durch sie durchbrochenen sozialen Distanzierung darstellen", so Niewiadomski abschließend.
Der Innsbrucker Theologe führte mit seiner Stellungnahme einen Gedanken fort, den sein Wiener Dogmatik-Kollege Prof. Jan-Heiner Tück jüngst in einem Kathpress-Interview aufgeworfen hatte, als er von einem "leisen Unbehagen" an der zunehmenden "Virtualisierung" von Gottesdiensten sprach. "Wir feiern Realpräsenz, nicht Virtual-Präsenz", so Tück (Kathpress-Meldung vom 16. März).
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