Bischof Chalupka: "Es darf nicht 'normal' werden, sich den Tod mithilfe eines anderen oder gar durch einen anderen geben zu lassen"
Wien, 23.09.2020 (KAP) Der evangelische Bischof Michael Chalupka und die evangelische Diakonie haben sich am Mittwoch in einer Aussendung für die Beibehaltung des Verbots der aktiven Sterbehilfe ausgesprochen. "Es darf nicht 'normal' werden, sich den Tod mithilfe eines anderen oder gar durch einen anderen geben zu lassen", so Chalupka gegenüber dem Evangelischen Pressedienst. Auch Beihilfe zum Suizid solle nicht zum gesellschaftlichen Normalfall werden, etwa indem Vereine Suizidhilfe anböten. Jedoch seien Gewissenskonflikte ernst zu nehmen, in denen sich sowohl Angehörige, Ärztinnen und Ärzte, aber auch Sterbewillige befänden.
"Angesichts dieser moralischen Tragik braucht es eine offene Diskussion über rechtliche Regelungen, die dem Gewissen Spielraum lassen und für dramatische Ausnahmefälle Möglichkeiten der Straffreiheit vorsehen", so Chalupka. Zwar könne Beihilfe zum Suizid nach evangelischer Überzeugung kein Rechtsanspruch sein, der sich an den Staat oder gar an Dritte richtet; jedoch gebe es existentielle Konfliktfälle, in denen Barmherzigkeit bei aufrechtem Verbot der Beihilfe zum Suizid gefragt sei. "Deshalb soll nach juristischen Wegen gesucht werden, wie in einzelnen extremen Fällen der Barmherzigkeit Genüge getan werden kann."
Für Donnerstag hat der Verfassungsgerichtshof (VfGH) zum Thema Sterbehilfe bzw. Suizidbeihilfe in Wien eine öffentliche mündliche Verhandlung angesetzt. Dabei geht es um vier beim VfGH mit Unterstützung des Schweizer Sterbehilfe-Vereins Dignitas eingebrachte Anträge, wonach die bestehenden Paragrafen 77 und 78 des Strafgesetzbuches - es geht dabei um "Tötung auf Verlangen" und "Beihilfe zum Suizid" - gelockert werden sollen. Das Thema stand schon im Juni auf der Agenda des VfGH, wurde dann aber auf den Herbst verschoben. Zuvor hatte in Deutschland im Februar das deutsche Bundesverfassungsgericht das Verbot der "geschäftsmäßigen Beihilfe" zum Suizid gekippt.
Palliativversorgung und Suizidprävention
"Gerade, weil die Selbstbestimmung von Menschen am Ende ihres Lebens ernst genommen werden soll, müssen die Bedingungen so sein, dass Menschen die existenzielle Herausforderung des Sterbens gut bewältigen können", forderte am Mittwoch Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser. Gesellschaft und Staat stünden in der Verantwortung, durch gute flächendeckende Palliativversorgung und Suizidprävention Bedingungen zu schaffen, die Menschen "wirkliche Optionen eröffnen und sie nicht in Sterbewünsche drängen".
Moser kritisiert in diesem Zusammenhang das Ausbleiben des Vollausbaus der Hospiz- und Palliativversorgung, der 2015 von einer parlamentarischen Enquete-Kommission angekündigt worden war, aber ebenso wie die Überführung der Hospiz- und Palliativeinrichtungen in die Regelfinanzierung immer noch ausständig ist. Im Ruf nach selbstbestimmtem Sterben klinge neben der Angst vor unerträglichem Leid oft auch die Angst vor Pflegebedarf und Abhängigkeit mit, so Moser weiter.