Corona: Künftig nur mehr "Gottesdienst auf eigene Gefahr?"
11.02.202118:38
(zuletzt bearbeitet am 12.02.2021 um 11:37 Uhr)
Österreich/Kirche/Pandemie/Liturgie/Buch/Feulner
Umfangreicher Sammelband über Erfahrungen mit der Feier der Liturgie in Zeiten von Covid-19 erschienen - Wiener Liturgieprofessor Feulner und Institutsassistent Haslwanter veröffentlichen 900 Seiten starkes Kompendium mit weltweitem und ökumenischem Fokus
Wien, 11.02.2021 (KAP) "Gottesdienst auf eigene Gefahr?" lautet der Titel einer umfangreichen Publikation, die sich in einem weltweiten und konfessionsübergreifenden Ansatz mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie auf Gottesdienste beschäftigt. Als Herausgeber fungieren Hans-Jürgen Feulner, Professor für Liturgiewissenschaft und Sakramententheologie an der Universität Wien, und sein Institutsassistent Elias Haslwanter. Der etwas provokante Titel ist an eine Verlautbarung des deutschen Diözese Erfurt angelehnt, welche explizit darauf hinwies, dass im Zutrittsbereich der Kirchen für die Gottesdienstbesucher der Hinweis zu stehen habe: "Die Teilnahme am Gottesdienst geschieht auf eigene Gefahr."
Dennoch wolle man mit der Publikation weder Angst schüren noch Panikmache betreiben, betonen die beiden Herausgeber im Vorwort. Man stelle vielmehr die Frage nach einer "verantwortungsvollen Feier der Gottesdienste, welche die modernen medizinischen und hygienischen Forschungen und Empfehlungen der Wissenschaft ernst nimmt, dabei aber auch mit aller Besonnenheit und Verhältnismäßigkeit die würdige Feier mit im Blick behält".
Die Initiative zu dem Projekt entsprang quasi einer Notsituation: Wie viele Bildungseinrichtungen, so musste auch die Katholisch-Theologische Fakultät der Universität Wien im März 2020 ihre Türen für den öffentlichen Lehrbetrieb schließen. Als "Ersatzleistung" für das entfallende Forschungsseminar des Fachbereichs Liturgiewissenschaft und Sakramententheologie wurden die Doktorandinnen und Doktoranden gebeten, in Form eines Essays zum Thema "Liturgie und Hygiene" aus ihren jeweiligen Kirchen, Konfessionen und Ländern zu berichten. Auch ehemalige Absolventen und Gastautoren wurden um Beiträge gebeten. - So einstand der gut 900 Seiten dicke Sammelband.
Eine kleine Auswahl der behandelten Themen: Die Auswirkungen der Pandemie auf die Gottesdienste in der katholischen und evangelischen Kirche in Österreich, Deutschland und der Schweiz. Wie gestalten Orden ihre Gottesdienste am Beispiel von Stift Heiligenkreuz? Weitere Beiträge zeigen die Gottesdienstpraxis in Spanien, Italien, Frankreich, Polen, Ungarn, England, Irland und Schweden auf, ebenso aber auch in den USA, Mexiko oder Brasilien. Auch Indien, Japan oder Südafrika werden behandelt. Eigene Abschnitte sind den Kirchen der byzantinischen Tradition und den altorientalischen Kirchen gewidmet. Der Kirchenmusik und sakramententheologischen Überlegungen sind weitere Kapitel gewidmet. Die Beiträge sind in deutscher und englischer Sprache verfasst. Auch ein Beitrag aus jüdischer Perspektive ist darunter.
Verhältnismäßigkeit und Besonnenheit
Im Kathpress-Interview attestierte Prof. Feulner den heimischen Kirchen und Religionen, dass man im Blick auf Covid und Gottesdienste durchaus gut reagiert habe. Noch dazu, "wo ja diese Situation gleichsam völlig unvorhergesehen über uns hereingebrochen ist, in einer Art, wie man sich das wohl niemals hätte vorstellen können". Dass man anfangs in dem einen oder anderen Bereich vielleicht etwas zu übervorsichtig gewesen sei, etwa was die intensive Desinfektion des gesamten Kircheninnenraums samt Kulturgüter betrifft, wolle er deshalb nicht überbetonen.
Ein Blick rund um den Globus zeige, dass man beim ersten Lockdown weltweit im Prinzip die gleichen Maßnahmen gesetzt habe "mit dem raschen temporären Verbot von öffentlich zugänglichen Gottesdienste und sehr strengen Hygiene-Konzepten". Später dann hätten sich von Land zu Land mitunter auch unterschiedliche Strategien ergeben. Freilich sei das auch immer abhängig von den Vorgaben der staatlichen Behörden.
Feulner bekräftigte im Kathpress-Interview die Prinzipien von Verhältnismäßigkeit und Besonnenheit. Es dürfe zu keiner gesundheitlichen Gefährdung der Gläubigen kommen. Zugleich solle man es mit den Vorschriften aber auch nicht übertreiben, schließlich gelte es, eine Feierform zu finden, "die das Transzendentale, was ja im Gottesdienst geschieht, doch irgendwie noch deutlich macht". Gerade deshalb erfolge mit dem Buch ein kritischer Rückblick auf die ersten Maßnahmen gegen die Ausbreitung der Pandemie, um den kommenden Herausforderungen besser begegnen zu können.
Umfangreiche Dokumentation
Das Buch enthält auch einen Dokumentationsteil, der die diversen Rahmenordnungen der Bischofskonferenzen in Österreich, Deutschland und der Schweiz anführt. Zusätzlich zum gedruckten Buch ist über ein Online-Dokumentationsteil abrufbar, der über die drei deutschsprachigen Ländern hinaus auch ausgewählte Dokumente aus anderen Ländern wie etwa den USA oder England enthält. Auch Rahmenordnungen aus orthodoxen Kirchen können abgerufen werden. Zu finden ist die Dokumentation unter: http://bit.ly/2Z5SDvM. Dieser Online-Teil soll auch laufend aktualisiert werden.
Wie Prof. Feulner gegenüber Kathpress sagte, werde es möglicherweise gegen Jahresende auch einen Fortsetzungsband zum Hauptwerk geben, in dem weitere Erfahrungen im Umgang mit der Pandemie behandelt werden. Dann freilich nur mehr beschränkt auf den deutschsprachigen Raum.
Hans-Jürgen Feulner / Elias Haslwanter (Hg.): Gottesdienst auf eigene Gefahr? - Die Feier der Liturgie in der Zeit von Covid-19. Aschendorff-Verlag 2020.