Papst trifft al-Sistani: Der Ayatollah und die Christen
21.02.202109:58
Irak/Religion/Islam/Christentum
Der 90-jährige Ali al-Sistani ist eine Schlüsselfigur des schiitischen Islam - In der Vergangenheit sprach er sich immer wieder öffentlich dafür aus, die bedrohten christlichen Gemeinden im Irak zu erhalten
Badgad/Rom, 21.02.2021 (KAP) Bei seinem vom 5. bis 8. März geplanten Besuch im Irak will Papst Franziskus auch Großayatollah Ali al-Sistani treffen. Der 90-Jährige ist die höchste geistliche Autorität der Schiiten im Irak. Sein weit über das Land hinaus reichender Einfluss basiert auf seiner Position an der Spitze der theologischen Hochschule von Nadschaf. Al-Sistani lebt seit sieben Jahrzehnten in der für schiitische Muslime heiligen Stadt rund 150 Kilometer südlich von Bagdad. Anders als etwa die iranischen Mullahs lehnt der schiitische Geistliche eine religiös geprägte Verfassung ab und akzeptiert ein ziviles Staatswesen ebenso wie Religionspluralismus.
Papst Franziskus und al-Sistani seien beide "große Männer des Friedens", sagte der Bagdader chaldäisch-katholische Weihbischof Shlemon Warduni jüngst dem Portal "AsiaNews". Der Großayatollah betone bei Begegnungen immer wieder, dass er kein Politiker sei, sondern "Mann des Glaubens, der Frieden für das ganze Land will", schilderte Warduni. Der Weihbischof ist ein enger Mitarbeiter des irakischen Kardinals und chaldäisch-katholischen Patriarchen Louis Raphael I. Sako, dem ein gutes Verhältnis zu al-Sistani nachgesagt wird.
Der von Warduni geschilderte Blick auf die schiitische Schlüsselfigur nährt sich auch aus der Tatsache, dass al-Sistani im Laufe der Jahre immer wieder seine Verbundenheit mit irakischen Christen zum Ausdruck brachte und sich ausdrücklich dafür aussprach, die christlichen Gemeinden im Land zu erhalten. Nach der von den USA angeführten militärischen Intervention, die 2003 das Baath-Regime von Saddam Hussein stürzte, forderte eine von al-Sistani proklamierte Fatwa alle schiitischen Muslime auf, Gläubige aus Minderheiten, einschließlich die Christen, zu schützen und sie nicht als "fünfte Kolonne" ausländischer Streitkräfte zu betrachten. Später kritisierte der Großayatollah mehrfach Terrorattacken gegen Christen. Deren Rechte im Irak müssten respektiert werden, ebenso wie die anderer Glaubensrichtungen. Sie alle hätten das Recht, "in ihrer Heimat Irak friedlich zu leben".
Anfang 2019 sprach sich al-Sistani dafür aus, die "abscheulichen Verbrechen" zu untersuchen, die von den dschihadistischen IS-Milizen im Irak unter anderem an Jesiden in Sinjar, Christen in Mosul und Turkmenen in Tal Afar begangen wurden, erinnerte der vatikanische Missionspressedienst "Fides" dieser Tage. Und schon 2014, noch vor der Belagerung Mossuls und des Nordiraks durch den IS, drückte der Schiiten-Führer auch bei einer Begegnung mit einer Delegation der Gemeinschaft Sant'Egidio in Nadschaf seine Solidarität mit den irakischen Christen aus. Damals bekräftigte er, dass es notwendig sei, die Präsenz christlicher Gemeinschaften im Land zu erhalten und dass die gezielte Gewalt gegen die Christen eine Bedrohung für den gesamten Irak darstellt.
Noch während der letzten Wochen der Schlachten um die Ninive-Ebene brachte Scheich Abdul Mahdi Karbalai, in seiner Eigenschaft als offizieller Vertreter al-Sistanis, bei einem Treffen mit Christen aus Mossul die volle Bereitschaft zum Ausdruck gebracht, Initiativen zu unterstützen, um die Rückkehr chaldäischer, syrischer und assyrischer Christen in ihre Häuser und Dörfer nach der Befreiung vom IS zu ermöglichen.
Das für 6. März terminierte Treffen zwischen dem Bischof von Rom und dem Großayatollah könnte also einen Höhepunkt des langen Austauschs von Zeichen der Verbundenheit und des Mitgefühls zwischen Christen und al-Sistani in den vergangenen Jahrzehnten markieren. Eine direkte Begegnung zwischen dem Großayatollah und einem Papst gab es bisher nicht. Nach dem Tod von Johannes Paul II. schickte al-Sistani 2005 aber ein Telegramm an den damaligen vatikanischen Kardinal-Staatssekretär Angelo Sodano, in dem er "allen Katholiken" sein Beileid aussprach. Der Verstorbene habe "die Botschaft des Friedens übermittelt und den interreligiösen Dialog geförderte. Er war ein Papst, der allen Religionen sehr respektvoll gegenüberstand", würdigte der Großayatollah Johannes Paul II.
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