Papst verurteilt in Mossul Hass im Namen der Religion
07.03.202112:58
(zuletzt bearbeitet am 07.03.2021 um 13:04 Uhr)
Irak/Papst/Religion/Kirche/Krieg/Terrorismus
Franziskus gedenkt der Kriegsopfer in ehemaliger IS-Hochburg - "Terrorismus und der Tod haben niemals das letzte Wort" - In christlich geprägter Stadt Karakosch jubeln Tausende dem Papst zu - Syrisch-katholischer Patriarch Younan dankt für "historischen Besuch, der uns über unsere Qualen hinwegtröstet, uns ermutigt, in unserem Land verwurzelt zu bleiben"
Mossul/Karakosch, 07.03.2021 (KAP) Papst Franziskus hat im Irak die Opfer der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) geehrt und Gewalt im Namen der Religion angeprangert. In der einstigen Terroristen-Hochburg Mossul betete er am Sonntag für all jene, die von den selbsternannten Gotteskriegern während ihrer blutigen Herrschaft im Nordirak ermordet, versklavt und vertrieben wurden. Im christlich geprägten Karakosch ermutigte er die christliche Minderheit im Irak, dem Land nicht den Rücken zu kehren und ihr geistliches Erbe zu bewahren.
Der Papst war am Morgen in Erbil, der Hauptstadt der Autonomen Region Kurdistan, von Präsident Nechirvan Barsani und Regierungschef Masrur Barsani begrüßt worden. Anschließend flog er per Hubschrauber weiter nach Mossul, wo der IS 2014 ein "Kalifat" ausgerufen hatte. 2016 wurde die Stadt unter großen Zerstörungen befreit. Die Terrormiliz gilt im Irak seit 2017 als militärisch besiegt.
Auf dem Platz Hosh al-Bieaa, Schauplatz der Zerstörung mehrerer christlicher Kirchen, berichteten Zeitzeugen über Verfolgung und Vertreibung während der IS-Herrschaft. Der Papst zeigte sich bestürzt angesichts der "grauenvollen Erfahrungen". Ein "unermesslicher Schaden" sei angerichtet worden. Moslems, Christen, Jesiden - alle zählten zu den Opfern. "Heute bekräftigen wir nichtsdestotrotz erneut unsere Überzeugung, dass die Geschwisterlichkeit stärker ist als der Brudermord", so Franziskus.
Im Anschluss sprach der 84-Jährige ein eigens für diesen Anlass verfasstes Gedenkgebet. Anklagende Worte gegen bestimmte Tätergruppen verwandte er nicht. Stattdessen betonte er mehrfach die Unzulässigkeit von Gewalt und Hass im Namen der Religion: "Wenn Gott der Gott des Lebens ist - und das ist er -, dann ist es uns nicht erlaubt, die Brüder und Schwestern in seinem Namen zu töten." Der Papst erbat "für uns alle, dass wir über die religiösen Bekenntnisse hinweg in Harmonie und Frieden leben können".
Heute noch 70 christliche Familien vor Ort
Mossuls chaldäisch-katholischer Erzbischof Najeeb Michael Moussa dankte Franziskus für seinen Besuch. "Sie sind ein Pilger des Friedens und eine Stimme, die die Gewissen weckt", wandte er sich an den Papst. Das Land benötige "eine prophetische Stimme, um diesem leidenden Volk zu helfen". "Gemeinsam wolle man die "Mauern zwischen den Religionen niederreißen", um den Weg für Frieden und Nächstenliebe zu ebnen", betonte Mossuls Erzbischof. "Gemeinsam sagen wir Nein zu Fundamentalismus, Sektierertum und Korruption." Dank vieler - auch junger - Menschen guten Willens, beginne in der Ninive-Ebene heute wieder "die gute Saat zu keimen, die hilft, Armut und Ungerechtigkeit zu bekämpfen".
An dem Gebet nahmen an der Seite des Papstes auch der syrisch-katholische Patriarch Ignatius Youssef III. Younan sowie der Pfarrer der örtlichen Verkündigungskirche, Emmanuel Adel Kallo, teil. Kallo dankte Franziskus für den "historischen" Besuch in Mossul. Er selbst habe die Stadt im Juni 2014 mit 500 christlichen Familien verlassen, berichtete der Pfarrer. "Die meisten sind ins Ausland gegangen, die restlichen haben Angst, zurückzukehren." Nach den Jahren des Terrors sei Mossul heute die Heimat von nur noch 70 christlichen Familien. "Aber ich lebe an einem Ort, wo es zwei Millionen Muslime gibt, die mich 'Vater Raid' nennen: Ich lebe meine Sendung mit ihnen."
Am Ende der Zeremonie wurde auf dem Kirchplatz ein Gedenkstein enthüllt, um an die Papstvisite zu erinnern. Franziskus ließ eine Friedenstaube steigen, ehe er in den christlich geprägten Ort Karakosch weiterreiste.
Papst in Karakosch: Terror hat niemals das letzte Wort
Bei der Fahrt durch das überwiegend christliche Karakosch jubelten Tausende Menschen dem stark gesicherten Konvoi des Papstes zu. Die Ankunft verzögerte sich wegen des Gedränges deutlich - auch weil Franziskus zwischendurch anhalten ließ, um Gläubige persönlich zu grüßen.
In Karakosch waren im Sommer 2014 Zehntausende vor allem syrisch-katholische Einwohner vor den Eroberungszügen des IS geflohen. Viele kehrten nach der Befreiung 2016 wieder zurück. Allerdings setzte zuletzt wegen fehlender Perspektiven erneut eine Abwanderung ein. Die Kirche der Unbefleckten Empfängnis ist das größte christliche Gotteshaus des Irak. Es wurde von den Islamisten verwüstet, ist aber inzwischen weitgehend wiederhergestellt.
Am Eingang der Kirche wurde der Papst vom Patriarchen der syrisch-katholischen Kirche von Antiochien begrüßt. Ignatius Youssef III. Younan dankte für den "historischen Besuch, der uns über unsere Qualen hinwegtröstet, uns ermutigt, in unserem Land verwurzelt zu bleiben".
"Unser Treffen hier zeigt, dass der Terrorismus und der Tod niemals das letzte Wort haben", sagte Franziskus bei seiner Ansprache in dem Gotteshaus. "Eure Anwesenheit hier macht deutlich, dass die Schönheit nicht einfarbig ist, sondern in der Vielfalt und in den Unterschieden aufleuchtet", ermutigte der Papst die Christen Karakoschs. "Ihr seid nicht allein", sicherte Franziskus den Menschen zu. Mehrere Gemeindemitglieder berichteten ihm von den Gräueln des Krieges. Er sehe mit Traurigkeit die Zeichen der zerstörerischen Kraft von Gewalt und Hass, sagte er. Aber selbst inmitten solcher Verwüstungen sei - mit den Augen des Glaubens - "der Triumph des Lebens über den Tod" sichtbar.
"Jetzt ist die Zeit, aufzubauen und wieder neu zu beginnen", so der Appell des Papstes. Es brauche die Fähigkeit zu vergeben und zugleich den Mut zu kämpfen. Das sei schwer, aber Gott könne den Frieden bringen: "Wir vertrauen auf ihn, und gemeinsam mit allen Menschen guten Willens sagen wir Nein zum Terrorismus und zur Instrumentalisierung der Religion."
Patriarch Younan lobte in seinen Worten an den Papst den Wiederaufbau und die Hilfe von Hilfswerken wie "Kirche in Not" in den höchsten Tönen. Er wies den Papst auch darauf hin, dass in der Al-Tahira-Kirche auch "einige unserer Nachbarn" mit dabei seien, etwa arabische Muslime, Kurden, Turkmenen und Jesiden: "eine multireligiöse und multiethnische Gemeinschaft, die in der Vergangenheit versucht hat, in Frieden miteinander zu leben", wie Younan sagte.
Gottesdienst in Erbil am Nachmittag
Am Sonntagnachmittag (14 Uhr mitteleuropäischer Zeit) wird Franziskus zu einer Messe mit bis zu 10.000 Gläubigen im Stadion von Erbil erwartet. Der Gottesdienst markiert den Höhepunkt seiner viertägigen Irak-Visite, die am Freitag begann.
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