Podiumsgespräch in der "Langen Nacht der Kirchen" über Zukunft der Schöpfung - Bischof Chalupka: In die apokalyptische Erzählung möglicher Szenarien von Dürren, Krieg und Flucht Hoffnungsmomente einbringen - Ordensmann P. Helm: "Wir müssen die ökologische Wende jetzt schaffen, sonst wird es viel zu teuer"
Wien, 28.05.2021 (KAP) Ein gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und politischer Wandel ist notwendig, um die Folgen der Klimakrise noch einzudämmen. So lautet das Fazit einer virtuellen Diskussionsrunde, die sich im Rahmen der "Langen Nacht der Kirchen" den Aufgaben von Kirchen und Zivilgesellschaft in der Bewahrung der Schöpfung widmete. Bei dem in der Wiener Gustav-Adolf-Kirche aufgezeichneten Gespräch machte sich der evangelisch-lutherische Bischof Michael Chalupka dafür stark, nicht von einem "Kampf" gegen die Klimakatastrophe zu sprechen. Vielmehr sei das Bild des Wandels zu betonen.
Wörtlich sagte Chalupka laut Evangelischem Pressedienst: "Ich glaube, dass das Bild vom Kampf uns nicht weiterbringt, da es ein apokalyptisches Bild ist. Wenn wir aber vom Wandel reden, dann wissen wir, dass da Überraschendes passieren kann. Es gibt die Chance des Wandels durch die Vernunft und das Argument."
Es sei die Rolle der Kirchen, in die apokalyptische Erzählung möglicher Szenarien von Dürren, Krieg und Flucht Hoffnungsmomente einzubringen. Zudem solle man nicht vor der scheinbaren Übermächtigkeit der Aufgabe zurückschrecken: "Der Wandel in unserer biblischen Geschichte ist immer von kleinen Dingen ausgegangen. Auch Jesus ist nicht in Rom, im Zentrum des Imperiums geboren, sondern an der Peripherie."
Hipmair: "Es können große Sachen passieren"
In eine ähnliche Kerbe schlug Katrin Hipmair von der Klimaschutzbewegung Fridays for Future: "Man hat oft das Gefühl, dass man selbst nichts bewirken kann und keinen Einfluss hat. Aber dann muss man sich vor Augen führen: Wenn viele kleine Leute an vielen Orten etwas machen, können große Sachen passieren." Sie warnte eindringlich vor den möglichen Folgen einer weiteren Erderwärmung: Es sei wissenschaftlich alles andere als klar, ob es noch gelingen könne, den Klimawandel aufzuhalten: "Man kann auch nicht sagen, was passiert, wenn Kriege um Wasser stattfinden. Oder wie viele Küstengebiete unbewohnbar werden."
Helm: "Die Welt brennt"
"Die Welt brennt. Es brennt der Amazonas-Regenwald. Es brennt die Tundra. Es brennt in Australien in immer bedrohlicheren Ausmaßen. Und warum? Wegen der Klimakatastrophe"; unterstrich P. Franz Helm, Rektor des Missionshauses St. Gabriel der Steyler Missionare. Er sah innerhalb der römisch-katholischen Kirche einen Kampf zwischen Kräften, die einen Wandel wollen, und konservativen Gruppen, die sich mit politisch Rechten und wirtschaftlich Mächtigen verbänden.
"Ich habe den Eindruck, man kann in gewissen katholischen Kreisen das Wort 'Solidarität' nicht mehr aussprechen, da man gleich das Label bekommt: Der ist links." Gleichwohl sei ein Umdenken auch wirtschaftlich und politisch notwendig: "Wir müssen die ökologische Wende jetzt schaffen, sonst wird es viel zu teuer. Und wenn ich nicht auf die vielen Menschen hinhöre, die Veränderung wollen, dann werde ich nicht mehr gewählt und die Macht verlieren."
Lisa Huber, Leiterin des Begegnungszentrums Quo Vadis der Ordensgemeinschaften in Wien, zeigte sich überzeugt, dass Veränderung nur gemeinschaftlich passieren könne. Als Kirche gelte es zum einen, in der allgemeinen Verunsicherung eine Botschaft der Hoffnung auszusprechen. Zum anderen ermögliche das Christentum "einen starken Blick darauf, dass wir Menschen gut sind, mitgestalten dürfen, anfangen können, Dinge anders zu tun. Das hat für mich mit Würde zu tun." Das sei der Kern für den Wandel: "Die Verwandlung ist nur möglich, wenn wir mehr zu Menschen werden, unserer Bestimmung folgen."
Rückhalt für Greta Thunberg
Die schwedische Jugendliche Greta Thunberg ist zur Symbolfigur der Klimabewegung geworden. Sie mahnt von der Politik rasches und radikales Handeln ein. Und das völlig zu Recht, wie der Wirtschaftsforscher Christian Reiner und der christliche Friedensaktivist Alois Reisenbichler bei einem Onlinevortrag im Rahmen der "Langen Nacht der Kirchen" betonten. Reiner wies Kritiker zurück, die Thunberg Panikmache vorwerfen. An der Erderwärmung aufgrund des übermäßigen CO2-Ausstoßes gebe es keinen wissenschaftlichen Zweifel mehr. Wenn es mit den Emissionen so wie bisher weitergeht, steuere die Welt auf eine Erwärmung von 3,1 bis 3,5 Grad zu, "und das ist überhaupt nicht mehr beherrschbar", so Reiner.
Um nicht über zwei Grad Erderwärmung zu kommen, seien deutliche Einschnitte nötig, so der Wirtschaftsforscher, der u.a. kritisierte, dass auch Österreich alle Klimaziele bisher verfehlt habe.
Der inzwischen größte CO2-Produzent sei China vor den USA und der EU, erläuterte Reiner. Dass es noch immer kein Haftungs- bzw. Verursacherprinzip gibt, die CO2-Produzenten also für den Schaden, den sie anrichten, bezahlen müssen, sei das "größte Marktversagen der Geschichte". Reiner prangerte auch die Ungerechtigkeit im Blick auf die CO2-Emissionen und ihre Folgen an. Das reichste Prozent der Weltbevölkerung sei für 15 Prozent der Emissionen verantwortlich, die ärmsten 50 Prozent gerade einmal für sieben Prozent. Und dazu komme noch, dass die ärmeren Teile der Welt wesentlich stärker von den Folgen des Klimawandels betroffen sind.
Reiner plädierte zu einem fundamentalen wirtschaftlichen Umdenken. Die Kosten einer konsequenten Klimapolitik seien letztlich um ein Vielfaches geringer als der ökonomische Nutzen daraus.
Fundamentaler Perspektivenwechsel
Alois Reisenbichler rief in seinen Ausführungen zum einen die christliche Soziallehre in Erinnerung. Demnach habe Arbeit immer Vorrang vor Kapital und es brauche einen fundamentalen Perspektivenwechsel: "Wir müssen die Welt mit den Augen der an den Rand Gedrängten und mit den Augen der geschundenen Schöpfung sehen." Was zu tun wäre, sei jedenfalls bekannt. Auch kirchliche Dokumente gebe es genug, so der Friedensaktivist unter Verweis u.a. auf das Ökumenische Sozialwort der Kirchen in Österreich oder die Charta Oecumenica.
Reisenbichler ging auch einmal mehr heftig mit dem Wahnsinn des Rüstungswettlaufes bzw. dem Waffenhandel ins Gericht. Auch die EU entwickle sich in dieser Beziehung in eine völlig falsche Richtung, befand er. Militärische Einsätze der EU müsste sich auf Einsätze im Rahmen von UNO-Friedensmissionen beschränken, dafür sei das zivile Interventionspotenzial massiv auszubauen, forderte er. "Krieg ist immer eine Niederlage der Menschheit", so der Friedensaktivist unter Verwendung eines Zitats von Papst Johannes Paul II. aus dem Jahr 2003, mit dem dieser vor dem Irak-Krieg gewarnt hatte.
Der Einsatz für Frieden, für mehr Gerechtigkeit auf der Welt wie für den Schutz der Umwelt würden letztlich zusammenhängen, betonte Reisenbichler zusammenfassend. Das werde auch im Wirken Greta Thunbergs deutlich.
Einig waren sich die beiden Vortragenden zum Abschluss mit einem Augenzwinkern, dass die schwedische Jugendliche wohl im Jahr 2100 von der Katholischen Kirche selig gesprochen wird.