Wiener Erzbischof in Live-Gespräch bei "Langer Nacht der Kirchen"-Stream über Auswirkungen der Covid-Krise auf Kirche, Gesellschaft und Glaube
Wien, 28.05.2021 (KAP) Die Corona-Pandemie hat verdeutlicht, dass nichts selbstverständlich ist, denn: "Dieses kleine Virus hat unser Leben ordentlich durcheinander gewirbelt". - Mit diesen Worten hat Kardinal Christoph Schönborn in einem Live-Interview zum Auftakt der "Langen Nacht der Kirchen" in Wien den coronabedingten Lernprozess von Kirche und Gesellschaft kommentiert. Es sei eine großartige Spitzenleistung von Wissenschaft und Forschung gewesen, innerhalb eines Jahres einen Impfstoff zu entwickeln, der eigentliche Lernprozess sei aber, "für die Dinge, die wir selbstverständlich nehmen, dankbar zu sein", meinte der Wiener Erzbischof. So könne man dankbar sein, "dass wir in einer Welt leben, die so vernetzt ist, dass gegenseitige Hilfe sofort möglich ist".
"Don´t take it for granted" (dt. nichts selbstverständlich nehmen), sagte Schönborn auf die Frage nach den Auswirkungen der Covid-Krise auf Kirche wie Gesellschaft. Plötzlich seien die Grenzen zu gewesen, "man konnte nicht mehr reisen, sich nicht umarmen, nicht gegenseitig besuchen. Vorher Selbstverständliches ist plötzlich weggefallen", beschrieb Schönborn den ersten Schock-Moment der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020. Letztlich wisse man aber nicht, "warum Gott das zugelassen hat".
Dankbar zeigte sich der Kardinal für die aktuell "etwas normalere Situation" und die Möglichkeit, die 2020 coronabedingt abgesagte "Lange Nacht der Kirchen" in diesem Jahr durchführen zu können. Er fügte aber hinzu, dass man noch weit davon entfernt sei "von dem, was war". Und weiter: "Ich fürchte auch, dass es schwierig bleiben wird."
Das Virus habe alle betroffen, von der Kirche bis zur Familie und dem Fußballclub, sagte Schönborn. Die mit Corona einhergehenden Herausforderungen habe es "selbst in Zeiten der Pest und Spanischen Grippe nicht gegeben"; zum ersten Mal erlebe die Menschheit eine weltweite Pandemie. Die Frage, ob nun künftig wieder gleich viele Menschen in die Kirchen gehen wie vor der Pandemie sei daher zwar wichtig, als gläubiger Mensch müsse man aber eher fragen, "was das Virus mit den Menschen gemacht hat". Offen seien etwa die sozialen Folgen der Krise, ob es etwa in den nächsten Monaten eine Welle an Insolvenzen geben wird oder wie die Auswirkungen der Corona-Pandemie für Kinder und Jugendliche aussehen werden. Es habe aber auch Menschen gegeben, "für die die Corona-Zeit ein Segen war", meinte der Wiener Erzbischof, der die Zeit selbst nutze "um gesund zu werden", wie er sagte.
Letztlich müsse er als Gläubiger fragen, was die "Corona-Krise für uns Christen in der Menschheitsfamilie, für das Evangelium und unseren persönlichen und gemeinsamen Glauben bedeutet". Hier sei man noch am Anfang der Suche, konstatierte Schönborn.
Schönborn war Gast einer Live-Sendung mit Interviews und Gesprächen mit prominenten Gästen - darunter mit P. Anselm Grün, dem Armutsforscher Martin Schenk, dem Philosophen Wilhelm Schmid und der Theologin Regina Polak. Weitere Interviews gab es u.a. auch mit dem für die Wiener "Lange Nacht" zuständige Gesamtkoordinator Markus Pories, dem evangelische Superintendent Matthias Geist oder dem Fridays-for-future-Aktivisten Simon Pories.