Heimischer Experte: "Weltuntergangsstimmung im Libanon"
17.08.202113:52
Libanon/Österreich/Kirche/Soziales/ICO
"Initiative Christlicher Orient" über Zustände im Libanon: Kein Treibstoff, kein Strom, keine Medikamente
Beirut/Linz, 17.08.2021 (KAP) Von einer "Weltuntergangsstimmung" im Libanon hat am Dienstag die "Initiative Christlicher Orient" (ICO) berichtet. ICO-Libanonexperte Stefan Maier sprach im Kathpress-Interview von "so noch nie dagewesenen dramatischen Zuständen". So gebe es so gut wie keinen Strom mehr im Land. "Und das bedeutet, dass auch keine Kühlschränke und Klimaanlagen funktionieren". Die Lebensmittel würden einfach verderben, was die Versorgungskrise weiter vorantreibe. Die ICO unterstützt u.a. seit vielen Jahren die Schule St. Josef der Barmherzigen Schwestern in Ajeltoun. Maier: "Die Ordensfrauen haben noch genügend Treibstoff gelagert, um zwei Tage lang mit Generatoren Strom zu produzieren. Dann ist es aus."
Internetbetreiber hätten ebenfalls schon angekündigt, ihren Betrieb einzustellen, da ihnen der Treibstoff für die Generatoren ausgeht. Von einer normalen Stromversorgung ist im Libanon schon lange nicht mehr die Rede. Maier: "Viele Menschen können auch nicht mehr zur Arbeit fahren, schlicht, weil sie keinen Treibstoff haben. Und bald wird auch die Kommunikation völlig zusammenbrechen." Das Ausmaß des Dramas werde auch daran sichtbar, "dass man vor der libanesischen Küste zahlreiche Öltanker beobachten kann, die aber ihre Ladung nicht löschen wollen. Weil niemand dafür bezahlen kann oder will."
Pro Familie gebe es im Libanon noch ein Paket Fladenbrot pro Tag, und das zu verdoppelten Preisen, berichtete Maier weiter. Bei den Barmherzigen Schwestern von Ajeltoun würden sich nun auch die alten und gebrechlichen Schwestern zur Bäckerei schleppen und sich um Brot anstellen. Mit diesen zusätzlichen Rationen würden dann vor allem auch die in der Ordensschule tätigen Mitarbeiter und deren Familien unterstützt. Mit frischen Lebensmitteln sei nichts mehr anzufangen. "Man kann sie nicht kühlen. Lebensmittelvergiftungen haben dramatisch zugenommen", so Maier.
Dabei stehe auch die medizinische Infrastruktur vor dem endgültigen Kollaps. Die jüngste Explosion eines Treibstofftanks in der Region Akkar, wo illegal Benzin gehortet wurde, habe rund 30 Tote und mehr als 70 Verletzte gefordert. "Für die Brandopfer gibt es im Libanon aber keine Medikamente mehr. Der Libanon hat die Nachbarländer um Hilfe ersucht", berichtete der ICO-Experte.
Die ICO hat im Libanon zahlreiche Hilfsprojekte laufen. Neben der Unterstützung von Bildungseinrichtungen wird beispielsweise gemeinsam mit dem Orden der Lazaristen eine Bäckerei in Beirut betrieben, die kostenlos an hunderte Familien im Armenviertel Nabaa Brot ausliefert. Um Spenden für die Not leidende Bevölkerung des Libanon wird dringend gebeten (ICO, Hypo Oberösterreich IBAN: AT42 5400 0000 0045 4546. Infos: www.christlicher-orient.at)
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