Am 14. September feiert Franziskus einen Freiluft-Gottesdienst in der zweitgrößten Stadt der Ostslowakei - Die dort stark vertretenen Katholiken des byzantinischen Ritus bilden heute in der Slowakei und auch in Ungarn lebendige Gemeinschaften, nachdem sie noch vor wenigen Jahrzehnten politisch verfolgt waren
Bratislava/Kosice, 25.08.2021 (KAP) Zu einem besonderen Gottesdienst kommt Papst Franziskus am 14. September nach Presov. Auf dem Platz vor der größten Sporthalle der zweitgrößten Stadt der Ostslowakei feiert er die "Göttliche Liturgie des heiligen Johannes Chrysostomos", den wichtigsten Gottesdienst im Ritus der byzantinischen Kirchen. Etwa 230.000 der rund vier Millionen Katholiken in der Slowakei gehören der Griechisch-katholischen Kirche an, wobei die Gläubigen des byzantinisch-ostkirchlichen Ritus vor allem im Osten des Landes leben. Auch im Nachbarland Ungarn gibt es im Nordosten rund 300.000 griechisch-katholische Gläubige. Heute bilden die Katholiken des byzantinischen Ritus in beiden Ländern lebendige Gemeinschaften, noch vor wenigen Jahrzehnten aber wurden sie politisch verfolgt.
Die griechisch-katholische Kirche auf dem Gebiet des einstigen Königreichs Ungarn - heute in der Slowakei, in der Karpathoukraine und in Ungarn - beruht großteils auf der Union von Uschgorod des Jahres 1646, als sich orthodoxe Priester der katholischen Kirche anschlossen. Vorbild dafür war die Union von Brest des Jahres 1596, als orthodoxe Priester dasselbe in der damaligen Adelsrepublik Polen - heute in Polen, Litauen und der Ukraine - vollzogen hatten. Die Unionen bedeuten die Beibehaltung des byzantinischen Gottesdienstes und der östlichen Kirchenordnung wie etwa Verheiratung der Priester und Wahl der Bischöfe bei gleichzeitiger Anerkennung des päpstlichen Primats. So muss der Papst die Wahl der Bischöfe bestätigen.
Die historischen Erfahrungen der beiden großen Zweige der griechisch-katholischen Kirche begannen auseinanderzudriften, als die polnisch-litauische Adelsrepublik am Ende des 18. Jahrhunderts zerbrach und unter Russland, dem damaligen Preußen und Österreich aufgeteilt wurde. Nunmehr kamen zwar auch unierte Katholiken der Brester Union unter die habsburgische Herrschaft, doch mit dem Ausgleich von 1867 fielen die Brester Unierten in Galizien und der Bukowina der westlichen Reichshälfte zu ("Zisleithanien"), während die Uschgoroder im Königreich Ungarn verblieben ("Transleithanien").
Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs fanden sich die Griechisch-Katholischen der Brester Union im damals weit nach Osten reichenden wiedererstandenen Polen wieder, jene der Uschgoroder Union hingegen in der neu gegründeten Tschechoslowakei und in Ungarn. Nach dem Zweiten Weltkrieg spitzte sich die Zerrissenheit dramatisch zu: Nach der Verschiebung der polnischen Grenzen nach Westen und dem tschechoslowakischen Verlust der Karpathoukraine gelangten die Brester Unierten und mit ihr die weitaus größte Anzahl der Griechisch-Katholischen überhaupt unter sowjetische Herrschaft. Die Uschgoroder Unierten hingegen waren weiterhin aufgesplittert in die kleiner gewordene Tschechoslowakei, Ungarn und Rumänien.
Stalins Vernichtungsschlag
In dieser Situation holte der sowjetische Diktator Josef Stalin zu einem vermeintlichen Vernichtungsschlag aus, verbot die griechisch-katholische Kirche in der UdSSR und nötigte seine Verbündeten, in ihren Ländern desgleichen zu tun. Im April 1950 kündigten fünf Priester und einige Laien in der kirchenrechtlich völlig irrelevanten sogenannten Synode von Presov die Mitgliedschaft in ihrer Kirche auf und traten der russisch-orthodoxen Kirche bei. Die Bischöfe Pavol Peter Gojdic und Vasil Hopko wurden verhaftet, etliche Geistliche traten zur Moskauer Kirche über, wurden mit ihren Familien in den Westen der Tschechoslowakei verpflanzt oder gingen in den Untergrund.
Zu den wenigen dauerhaften Reformen des Prager Frühlings von 1968 gehörte die formale Wiederherstellung der griechisch-katholischen Kirche in der Tschechoslowakei. Rund zwei Drittel der Priester bekannten sich wiederum zu ihrer Ursprungskirche, doch die generell kirchenfeindliche Haltung des Regimes ließ ein intensives Kirchenleben nicht zu. Dieses konnte sich erst nach der Wende von 1989 entfalten. Die Frage der Rückgabe orthodoxer Kirchengüter an die wiedererstandene griechisch-katholische Kirche konnte in den meisten Fällen zufriedenstellend gelöst werden und stellt heute keinen ökumenischen Stolperstein mehr dar.
Heute viele Messbesucher und Priesterweihen
Die Lebendigkeit der griechisch-katholischen Kirche in der Slowakei erweist sich insbesondere durch die verhältnismäßig große Anzahl von Priesterweihen und den hohen Messbesuch. Überschaubare kleine Gemeinden mit einem eigenen Priester, soziales Bewusstsein und die Freude über die Auferstehung der Kirche lassen die Kirche - zumal angesichts der tristen Situation des Arbeitsmarktes im Nordosten der Slowakei - als Hoffnungszeichen erscheinen.
Dabei reicht die Bedeutung der griechisch-katholischen Kirche in der Slowakei über das Land hinaus. Aktuell steht in der benachbarten Karpathoukraine die Neubesetzung des Bischofsstuhls von Mukatschewo an, nachdem Eparch Milan Sasik (1952-2020), ein gebürtiger Slowake und ursprünglich römischer Katholik, im Juli des Vorjahres verstorben ist. Papst Franziskus hat Fülöp Kocsis (58), den Erzbischof von Hajdudorog und Metropoliten der ungarischen griechisch-katholischen Kirche, im März 2021 in den Vatikan gerufen, um mit ihm über die anstehende Neubesetzung des Bischofsstuhls zu sprechen. Kocsis übermittelte dem Papst den Wunsch der griechisch-katholischen Kirche in der Karpathoukraine, aber auch der anderen Kirchen der Uschgoroder Union in Ungarn, Kroatien, Serbien und den USA nicht in der großen griechisch-katholischen Kirche der Ukraine aufzugehen, sondern eine Kirche eigenen Rechts zu bleiben.
So wie in der Slowakei hat auch in der Karpathoukraine die ruthenische Sprache nach 1989 ein Revival erlebt, die sich gegenüber der ukrainischen abgrenzt und in der Slowakei als eigenständige Sprache anerkannt ist. Hauptsprache der griechisch-katholischen Kirche in der Slowakei ist heute allerdings die slowakische, in Ungarn schon lang die ungarische.
Franziskus war in Buenos Aires Ostkirchen-Ordinarius
Papst Franziskus ist der byzantinische Ritus übrigens nicht fremd, da er als Erzbischof von Buenos Aires, ähnlich wie Kardinal Christoph Schönborn in Wien, auch Ordinarius für die Gläubigen der katholischen Ostkirchen war. Und fremd ist dem Papst auch nicht der Presover Metropolit Jan Babjak (67), der als Mitglied der vatikanischen Kongregation für die Ostkirchen des Öfteren nach Rom kommt. Franziskus begrüßt seinen jesuitischen Ordensbruder dann immer mit den Worten: "Und hast du mir auch wieder getrocknete Steinpilze mitgebracht?"