Athener Erzbischof: Papst stärkt Zusammenhalt unter Katholiken
26.11.202115:50
Griechenland/Kirche/Papst/Ökumene/Kontidis
Erzbischof Kontidis im "Tagespost"-Interview über Situation der Katholischen Kirche in Griechenland, die komplexe ökumenische Situation im Land und mögliche positive Auswirkungen des anstehenden Papstbesuches
Würzburg/Athen, 26.11.2021 (KAP) Der bevorstehende Besuch von Papst Franziskus in Griechenland soll unter anderem auch dazu beitragen, den Zusammenhalt unter den Katholiken zu stärken. Das hat der katholische Erzbischof von Athen, Theodoros Kontidis (65), im Interview mit der Wochenzeitung "Die Tagespost" (Freitag) betont. In Griechenland gibt es rund 50.000 katholische Griechen, dazu kommt noch eine größere Zahl an ausländischen Katholiken im Land, etwa Albaner, Polen und Filipinos. Die Katholiken des byzantinischen und armenischen Ritus seien äußerst kleine Gemeinschaften, erläuterte der Erzbischof. Hinzu komme "ein Mosaik von Katholiken aus vielen Ländern".
Die Herausforderung für die Katholische Kirche vor Ort bestehe darin, "Brüderlichkeit auf der Grundlage des gemeinsamen Glaubens zu leben, nicht aufgrund von Nationalität, Blut und Ethnie". Der Papst komme, "um diese Brüderlichkeit zu stärken. Wir fühlen, dass wir alle zur selben Kirche gehören, unabhängig von unserer Verschiedenheit. So verwirklichen wir unsere Identität."
Der Besuch des Papstes werde zur Sichtbarkeit der Katholiken beitragen, zeigte sich Kontidis: "Die Präsenz des Papstes wird zur Ermutigung für die Gläubigen, eine Stärkung im Glauben wie in der Einheit."
Keine Diskriminierung von Katholiken
Die Frage, ob die katholische Minderheit in Griechenland diskriminiert werde, verneinte der Erzbischof: "Es gibt Probleme der gesellschaftlichen Unterscheidung und Trennung, aber auch viel Zusammenarbeit und Brüderlichkeit. Ich möchte nicht von Diskriminierung sprechen, wenngleich viel davon abhängt, in welchem Milieu man sich bewegt." Es gebe Nationalisten und Traditionalisten, "aber im Alltag haben wir keine größeren Probleme".
Innerhalb der Orthodoxen Kirche gebe es mehr als nur eine Strömung. So hänge viel davon ab, "mit wem man gerade zu tun hat". Auch habe die Katholische Kirche einen anderen Rechtsstatus als die Orthodoxie, "die zum staatlichen Sektor gehört und deren Stellung aus der Geschichte rührt". Die Orthodoxie sei ein maßgeblicher Teil der griechischen Geschichte und Gesellschaft. Orthodoxie und gesellschaftliche Eliten seien eng verwoben, auch wenn es immer wieder Zusammenstöße zwischen ihnen gibt.
Kontidis: "Wir haben mit der Rolle der Orthodoxie in der Gesellschaft, mit der Einheit der beiden Autoritäten kein Problem. Für Menschen aus Westeuropa ist das wohl befremdlich, wir aber sind daran gewöhnt." Er wolle betonen, so der Erzbischof, dass die Katholische Kirche keineswegs den gleichen Status anstrebe wie die Orthodoxie: "Wir bevorzugen eine Anerkennung, die unsere Unabhängigkeit vom Staat respektiert."
95 Prozent der Griechen bezeichneten sich als orthodox. "Selbst wenn sie sich der Kirche nicht verbunden fühlen, sehen sie sich in dieser Tradition", so der Erzbischof. In Griechenland "gibt es keine Feindseligkeit gegenüber der eigenen Tradition, Geschichte und Spiritualität". Es gehe um ein Bewusstsein der Identität und Zugehörigkeit, weniger um die persönliche Lebensführung.
Unterschiedliche ökumenische Offenheit
Auf die ökumenische Offenheit der Orthodoxen Kirche Griechenlands angesprochen, antwortete der katholische Erzbischof von Athen differenziert: "Es kommt darauf an, welche Strömung oder Bewegung man trifft. Es gibt Theologen und Bischöfe, die feindselig sind, aber auch sehr freundliche." Mitunter sei es für die Orthodoxie intern schwierig, die Einheit zu wahren angesichts unterschiedlicher Sichtweisen. "Es gibt kleine Gruppen, mit denen wir im Privaten offen und freundschaftlich diskutieren, aber öffentlich will die Orthodoxie den Eindruck der Distanz erwecken", so der Erzbischof.
Kontidis bestätigte weiters, dass es in der Orthodoxen Kirchen Griechenlands immer noch die Praxis der Wiedertaufe von Katholiken im Fall gemischtkonfessioneller Trauungen gibt: "Vor allem auf dem Land gibt es sehr anti-katholisch eingestellte Priester. Bei gemischten Hochzeiten bestehen sie auf der Taufe der Katholikin." In Athen werde aber keine Wiedertaufe verlangt, sondern die katholische Taufe akzeptiert. In anderen Diözesen sei das mitunter anders. In Athen seien mehr als 90 Prozent der Hochzeiten von Katholikinnen gemischtkonfessionelle Trauungen, "die normalerweise in zwei Zeremonien gefeiert werden, in der Katholischen wie in der Orthodoxen Kirche".
Dass es vonseiten der Orthodoxie beim Besuch des Papstes keine gemeinsamen Gebete oder Liturgien geben wird, sei auf das innerorthodoxe Gleichgewicht zurückzuführen, das nicht gestört werden soll, befand Kontidis. Die Begegnungen mit dem Oberhaupt der Orthodoxen Kirche in Griechenland, Erzbischof Hieronymos (Liapis), würden deshalb keinen religiösen Charakter haben. Selbst für diese Begegnungen werde der Erzbischof aber von extremistischen Gruppen kritisiert. Die öffentliche Meinung sehe die Begegnung aber positiv.
"Franziskus öffnet seine Arme"
Der katholische Erzbischof zeigte sich überzeugt, dass der Papstbesuch das ökumenische Verhältnis verändern und verbessern könne: "Franziskus öffnet seine Arme, um der Orthodoxie zu begegnen. Das ist gut. Es gibt Griechen, die noch nie einen katholischen Priester oder eine katholische Kirche gesehen haben."
Nicht minder wichtig sei aber die Botschaft des Papstes zur Frage der Migration und der humanitären Behandlung von Migranten. Diese Botschaft richtet sich aber nicht allein an Griechenland, sondern an Europa und die ganze Welt, betonte Erzbischof Kontidis.
Kathpress-Themenpaket zur Papstreise nach Zypern und Griechenland abrufbar unter www.kathpress.at/papstreise