Sozialethiker Filipovic bei Antrittsvorlesung an Katholisch-Theologischer Fakultät der Uni Wien: Demokratische Partizipation muss zentral bleiben, "die Regulierung von Sachfragen allerdings könnte man vermehrt KI-Systemen überlassen"
Wien, 20.01.2023 (KAP) Die hohe Komplexität moderner Politik und auch die Komplexität politischer und sozialer Fragen macht eine "Transformation der Demokratie" unter Einbeziehung von Systemen Künstlicher Intelligenz (KI) notwendig. Diese These hat der Medien- und Sozialethiker Prof. Alexander Filipovic bei einem Vortrag am Donnerstagabend an der Universität Wien entfaltet. Da die aktuellen Probleme "durch bloße normative Diskussionen innerhalb der Prozesse unseres demokratischen Herrschaftssystems" nicht gelöst werden könnten, brauche es mehr "Evidenzbasierung" in den Entscheidungsprozessen in Staat und Verwaltung. Dies könne durch den gezielten Einsatz von KI-Systemen gelingen - gleichwohl unter Berücksichtigung eng gesteckter Grenzen und ethischer Reflexionen, räumte Filipovic ein.
Der Vortrag stand unter dem Titel "Künstliche Intelligenz als Mittel der Politik? Eine sozialethische Perspektive auf die technische Zukunft der Demokratie" und fand im Rahmen der laufenden Ringvorlesung "Demokratie und Digitale Revolution" an der Universität Wien statt. Es war zugleich die Antrittsvorlesung von Prof. Filipovic als neuer Professor für Sozialethik an der Katholisch-Theologischen Fakultät. Corona-bedingt musste die Vorlesung immer wieder verschoben werden - Filipovic hat seine Professur bereits im Februar 2021 angetreten. Begrüßt wurde Filipovic u.a. von Vizerektorin Christa Schnabl und der neuen Dekanin der Katholisch-Theologischen Fakultät, Prof. Andrea Lehner-Hartmann.
Transformation nötig, aber "heikel"
"Das Regieren scheitert täglich an der Aufgabe, mit vorliegendem Wissen wohlbegründete Entscheidungen zu treffen - der Klimawandel ist das allerdeutlichste Beispiel, das Versagen der Demokratie in dieser Hinsicht ist immens", führte der Sozialethiker aus. "Dieses Scheitern ist ein reales ethisches Problem, das behoben werden muss" - u.a. eben durch eine technische Transformation der Demokratie. Aber: Eine solche Transformation dürfe "nicht zulasten von Würde und Rechtsbasierung gehen". Demokratische Partizipation müsse weiterhin zentral bleiben, "die Regulierung von Sachfragen allerdings könnte man vermehrt KI-Systemen überlassen. Dafür bräuchte es freilich kompetente Menschen, die die Übereinstimmung von KI-Regulierung mit den demokratisch festgelegten normativen Grundlagen überprüfen."
Eine solche Transformation sei gewiss "heikel", räumte Filipovic ein, "weil auch die Verächter der Demokratie diese Transformation zur Schwächung der Demokratie nutzen werden". Angesichts der Größe der Probleme, vor denen die modernen Demokratien stünden, sei eine solche Transformation jedoch unabdingbar.
Aktuell würden KI-Systeme bereits in Ansätzen im öffentlichen Sektor eingesetzt - etwa im Gesundheitswesen, im Transportsektor, in der Bildungs- und Sicherheitspolitik, im Risikomanagement und anderen Bereichen. Wo es um rein evidenzbasierte Entscheidungsfragen geht, seien diese Systeme äußerst hilfreich und weiter auszubauen. (Infos: https://se-ktf.univie.ac.at)
Antrittsvorlesung von Prof. Alexander Filipovic am 19. Jänner 2023 an der Universität Wien - v.l.: Prof. Andrea Lehner-Hartmann (Dekanin), Prof. Alexander Filipovic (Sozialethik), Prof. Christa Schnabl (Vizerektorin)
Professor für Sozialethik an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien
Professor für Sozialethik an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien
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