Krisenland Kongo: Tod, Flucht und eine herausgeputzte Hauptstadt
23.01.202312:30
Kongo/Vatikan/Papst/Diplomatie/Soziales/Konflikte
Korruption und Misswirtschaft, Bürgerkrieg und Vertreibungen: Der Kongo hat viele Probleme - Ende Jänner besucht Papst Franziskus das Land mit einer Botschaft zur Versöhnung - Die Kirche hat im Kongo viel Einfluss - Von Markus Schönherr
Kinshasa, 23.01.2023 (KAP/KNA) Gestopfte Schlaglöcher und Blumenbouquets: Kinshasa macht sich schön für Franziskus. Während in der Hauptstadt die Vorbereitungen für den Papstbesuch in weniger als zwei Wochen laufen, finden im Osten der Demokratischen Republik Kongo ganz andere Aufräumarbeiten statt: Dort forderte ein Bombenanschlag auf eine Pfingstkirche vor wenigen Tagen zahlreiche Tote und Verletzte; die Regierung spricht von einem "Terrorakt" durch islamistische Rebellen.
"Der Papst sollte eine Botschaft von Frieden, Toleranz und Verantwortlichkeit mitbringen", sagt der kongolesische Menschenrechtsaktivist Leon Nsiku. Eine solche würden unter anderem die 5,5 Millionen Kongolesen begrüßen, die laut UN-Flüchtlingsagentur UNHCR als Vertriebene im Land leben. Sie wurden in den meisten Fällen Opfer von einer der mehr als 120 Rebellengruppen, die im Osten aktiv sind, von religiösen Fanatikern bis zu Separatisten. "Mit der jüngsten Entsendung der ostafrikanischen regionalen Eingreiftruppe besserte sich die Situation, aber es stehen viele Herausforderungen bevor", sagt Koffi Sawyer, Konfliktforscher des panafrikanischen Instituts für Sicherheitsstudien. Die größte davon: das Fehlen von staatlicher Kontrolle im Rebellen-Gebiet.
Auch Katherine Marshall, Politik- und Religionsexpertin am US-amerikanischen Berkley Center, erwartet vom Papst eine Friedensbotschaft. "Etwas komplexer werden die Botschaften, die die Entwicklung betreffen." Laut Marshall sollte der Papst auch den bedrohten kongolesischen Regenwald, die Gesundheitsversorgung, das ungerechte Bildungssystem und sozioökonomische Ungerechtigkeit ansprechen. "Die DR Kongo ist ein außergewöhnliches Beispiel für riesiges Wohlstandspotenzial, aber zugleich auch tiefe Ungleichheit." Darüber hinaus fragt sich Marshall: Wird Franziskus auch Kolonialismus und das "tief verwurzelte Problem von Korruption" ansprechen? Schließlich wäre Frieden ohne gute Regierungsführung nur eine "Illusion".
Davon ist auch Richard Moncrieff, interimistischer Regionaldirektor der International Crisis Group, überzeugt: "Der Papst muss eine Botschaft von politischem Konsens senden. Er mag kein Politiker sein, aber er hat großen politischen Einfluss." Derzeit leide die DR Kongo, zusätzlich zum Konflikt im Osten, unter "wachsender Polarisierung", so Moncrieff. Im Dezember sollen ein Präsident und ein neues Parlament gewählt werden.
"Sicherheit und Stabilität"
Friedlich, aber oft undemokratisch - so liefen nach dem Ende des kongolesischen Bürgerkriegs vor 24 Jahren die Machtwechsel in Kinshasa ab. Auch der langjährige Oppositionsführer Felix Tshisekedi soll 2019 mithilfe eines "Hinterzimmer-Deals" mit seinem autokratischen Vorgänger Joseph Kabila Präsident geworden sein. Seine Erfolgsbilanz sei bisher überschaubar, meint Menschenrechtler Nsiku: "Seine erste Amtszeit war ein Misserfolg, geht es um Sicherheit und Stabilität." Zudem habe die fragile Demokratie gelitten, unter dem Streit über die Wahlkommission ebenso wie unter Übergriffen im Parlament. "Darüber hinaus wurden Journalisten und Menschenrechtsverteidiger verhaftet", berichtet Nsiku.
"Er sollte sowohl die Anführer als auch das Volk ermutigen, ihre politischen und ethnischen Streitigkeiten beizulegen und stattdessen auf Frieden und Zusammenhalt zu setzen", wünscht sich Politologe Sawyer von Papst Franziskus. Dessen Chancen stünden jedenfalls gut. Denn in kaum einem anderen afrikanischen Staat besitzen die katholischen Bischöfe so viel Einfluss wie in der DR Kongo. "Mit ihrer moralischen Hebelkraft können sie eine entscheidende Rolle dabei spielen, Dialog und Toleranz zu stärken", meint der Experte.
Nicht zuletzt biete sich Papst Franziskus die Gelegenheit, die Streithähne in Kinshasas Regierungsviertel zu versöhnen, meint Konfliktforscher Moncrieff: "Bei den bevorstehenden Wahlen sollte es eher um die Probleme des Landes gehen und um die Frage, wie man sie löst. Ich denke, dass Papst Franziskus die Debatte in diese Richtung lenken kann."
(Diese Meldung ist Teil eines Kathpress-Themenpakets zur Afrikareise von Papst Franziskus. Alle Meldungen abrufbar unter www.kathpress.at/Papst-in-Afrika)