Wenn über mögliche künftige Päpste spekuliert wird, fällt stets auch sein Name: Der Budapester Erzbischof Kardinal Péter Erdö zählt zu den profiliertesten Kirchenvertretern in Mittel- und Osteuropa
Budapest, 17.04.2023 (KAP/KNA) Er zählt zu den profiliertesten Kirchenvertretern in Mittel- und Osteuropa und wenn es um mögliche künftige Päpste geht, fällt stets auch sein Name: Kardinal Péter Erdö. Ende April wird der ungarische Primas, der von 2006 bis 2016 auch Vorsitzender des Rates der Europäischen Bischofskonferenzen (CCEE) war, Papst Franziskus erneut in seiner Bischofsstadt Budapest begrüßen können.
Seit mittlerweile zwei Jahrzehnten steht der 70-jährige Erdö als Erzbischof an der Spitze der ungarischen Hauptstadtdiözese mit ihren Doppelsitzen in Budapest und Esztergom (Gran), ehemals Metropole des Königreichs Ungarn.
Als intellektuell und theologisch beschlagener Jurist und Kirchenrechtler bringt Erdö ein klares Verständnis für Strukturen sowie politisches Kalkül mit. Das Konkordat zwischen dem postkommunistischen Ungarn und dem Heiligen Stuhl, das der Kirche heute wieder ein breites Engagement im Bildungs- und Sozialwesen ermöglicht, trägt auch seine Handschrift.
Kirchenpolitisch und theologisch gilt mit Blick auf das Wirken von Joseph Ratzinger/Benedikt XVI. Erdö als "Ratzingerianer". Der sprachbegabte Kardinal ist vor allem ein Mann des Wortes und der Wissenschaft, nicht der großen Öffentlichkeit. Dennoch hat er sich in seinen Ämtern zu zahlreichen gesellschaftlich und kirchlich relevanten Themen geäußert: Postkommunismus, Habgier, Sekten, Ausländerfeindlichkeit. Christentum als ausschließenden, negativen Identitätsmarker zu verwenden, damit kann Erdö nichts anfangen. "Christentum definiert niemals, was ich nicht bin. Es bedeutet, dass ich zu Christus gehöre", betonte er einmal in einem Interview.
Über die Gesellschaft seiner ungarischen Heimat spricht der Kardinal schnörkellos: Der Kommunismus habe den "bürgerlichen Anstand ausgelöscht"; die freiwillige Befolgung von Rechtsnormen sei sehr niedrig. Heute seien die Menschen viel stärker durch Bilder und elektronische Medien zu manipulieren als durch ein Parteiprogramm oder eine durchdachte Rede zu überzeugen.
Ungarn attestiert Erdö "mehr religiöse Trockenheit" als in anderen früher sozialistischen Staaten Mitteleuropas. Entsprechend betont der Kardinal immer wieder die Bedeutung des Christentums als gelebte Religion.
Tagespolitisch zurückhaltend
Zur Tagespolitik hingegen ist es eher still um den Budapester Erzbischof - und wenn, dann gilt es zwischen den Zeilen seiner öffentlichen Ansprachen zu lesen. So reflektierte Erdö im Vorjahr bei einer Priesterweihe über den Priesterberuf und meinte: "Wir werden oft auf provokante Weise gefragt, was wir zu jedem Thema des Alltags, der Politik oder der Wirtschaft denken, oder warum wir uns nicht lauter zu Wort melden. Doch unter den vielen schönen und wichtigen Berufungen sticht die Verkündigung des Evangeliums hervor."
Geboren am 25. Juni 1952 in Budapest als erstes von sechs Kindern, studierte Erdö in kommunistischer Zeit in Budapest und Rom Rechtswissenschaften und Theologie. Eine Anwaltskarriere war ihm als Angehöriger einer bekannterweise religiös lebenden Familie verwehrt. 1975 wurde er zum Priester geweiht.
In den 1980er Jahren lehrte Erdö Theologie in Esztergom und an der päpstlichen Universität Gregoriana. Nach dem Sturz des Kommunismus wurde er Dekan und später Rektor an der katholischen Péter-Pázmány-Universität Budapest, an deren Wiederaufbau vor 30 Jahren er maßgeblichen Anteil hatte und die auch auf dem Besuchsprogramm des Papstes zu finden ist.
1999 wurde Erdö Weihbischof in Székesfehérvár (Stuhlweißenburg) und drei Jahre später, mit nur 50 Jahren, überraschend Erzbischof von Esztergom-Budapest und Primas von Ungarn. Im selben Jahr nahm ihn Johannes Paul II. als damals jüngstes Mitglied ins Kardinalskollegium auf. Von 2005 bis 2015 leitete Erdö als Vorsitzender die nationale Bischofskonferenz.
Im Vatikan hat der Kardinal eine Vielzahl von Funktionen inne, war unter anderem Richter am höchsten Gericht, Mitglied der Bildungs- und der Gottesdienstkongregation sowie im Päpstlichen Kulturrat. 2014/15 war er Generalrelator der Weltbischofssynoden zu Ehe und Familie.
Erdös Vater war ein katholischer Ungar aus dem heute rumänischen, orthodox und protestantisch geprägten Siebenbürgen; seine Mutter stammte aus dem heutigen Grenzland zur Slowakei. Bis heute sei es dumm, einen Osteuropäer nach seiner Nationalität zu fragen, sagt Erdö - denn über Jahrhunderte sei es dort gang und gäbe gewesen, auch über ethnische Grenzen hinweg zu heiraten. Auch heute gelte es, über Grenzen hinweg zu leben und zu denken.
(Diese Meldung ist Teil eines Kathpress-Themenschwerpunkts zur Papstreise nach Ungarn. Alle Meldungen, Stichworte und Hintergrundberichte sind gesammelt abrufbar unter: www.kathpress.at/Papst-in-Ungarn)