St. Pöltner Bischof Schwarz plädiert im Vorfeld des "Tages der Schöpfung" (1. September) für ganzheitliche Ökologie, die Umwelt- mit Wirtschafts- und Sozialfragen verbindet - Wertschätzung für "Klimakleber", die aber andere nicht in Gefahr bringen dürfen - Für Temporeduktion im Straßenverkehr ist Politik zuständig, der Schwarz nichts "ins Stammbuch schreiben" möchte
St. Pölten, 24.08.2023 (KAP) Nachhaltigkeit sichert das Überleben der Menschheit und erfordert, "das Leben und die Lebensqualität der nächsten Generationen im Auge zu behalten und bei allen Aktivitäten mit einzuplanen": Das hat der St. Pöltner Bischof Alois Schwarz, seit langem in der Bischofskonferenz für Umweltagenden zuständig, im Vorfeld des "Tages der Schöpfung" (1. September) betont. Er plädierte im Interview der Nachrichtenagentur Kathpress für eine "ganzheitliche Ökologie" im Sinne der Papst-Enzyklika "Laudato si", die Umwelt- mit Wirtschafts- und Sozialfragen verbindet. "Es brauche einen allumfassenden Zugang zur Bewahrung der Schöpfung", der das Wohl der nachfolgenden Generationen im Auge hat, so Schwarz.
Angesprochen auf den Sommer 2023 mit Rekordtemperaturen in Wasser und Luft, Waldbränden auf der ganzen Welt und Hochwasser in Österreich hielt der Bischof fest, es sei deutlich zu spüren, dass sich die Natur verändert: "Es wird heißer, stürmischer und viele heftige Unwetter plagen unzählige Menschen, Tiere und Pflanzen." Seinen Auftrag als Bischof sehe er darin zu überlegen, "was wir als Diözese tun können", um dem entgegenzuwirken.
Zu seinen Aufgaben gehöre es nicht, der Politik etwas "ins Stammbuch zu schreiben", so Schwarz. Auf die Frage, ob er wie etwa die kirchlichen Umweltreferenten oder die Katholische Aktion Österreich die Forderung einer Temporeduktion im Straßenverkehr unterstützt, antwortete der Umweltbischof zurückhaltend: "Beim Thema 'Temporeduktion' geht es um das Gemeinwohl der Menschen, egal welcher religiösen Herkunft und Konfession. Daher ist das ein Thema, um das sich die Politik kümmert."
Zu den ebenfalls politisch umstrittenen "Klimaklebern" - die bekanntlich Tempo 100/80/30 auf den Straßen fordern, sagte Schwarz: "Ich schätze das Engagement der Menschen, die damit zeigen wollen, dass endlich mehr getan werden muss. Hier liegt eine ungeheuerliche Kraft, etwas verändern zu können." Manchmal seien die Protestaktionen allerdings so unüberlegt gewählt, dass das Leben von anderen Menschen dadurch in Gefahr gebracht werde. Das gelte es bei allem Engagement zu überdenken. Gut wäre es nach den Worten des Bischofs, "das Kraftpotenzial der Aktivistinnen und Aktivisten zu nützen, um konstruktiv die Arbeit im Sinne des Umweltschutzes voranzutreiben".
Lieber Bahn statt Flugzeug
Er selbst nehme seine Verantwortung für den Klimaschutz durchaus wahr: "Mein persönlicher Beitrag ist die Reduktion der Flugreisen und dort, wo es möglich ist, versuche ich mit der Bahn zu reisen." Auch esse er bevorzugt regionale und saisonale Kost. "Zudem achte ich darauf, den Stromverbrauch in meinem Wohnbereich zu reduzieren", teilte Schwarz mit.
Und auch auf kirchlicher Ebene - namentlich in der Diözese St. Pölten - geschehe einiges. Für die mit 1. September beginnende und bis 4. Oktober währende "Schöpfungszeit" habe die Katholischen Aktion Gottesdienst- und Gebetsunterlagen erstellt (siehe www.ka-stpoelten.at), in vielen Pfarren finde am Sonntag, 17. September, wieder die Aktion "Wir radeln in die Kirche" statt. Der diözesanen Umweltpreis, für den Einreichungen bis 30. September möglich sind, rücke das Thema Energiesparen in den Fokus, wies Schwarz weiter hin. Und: Jüngst sei die Waldviertler Pfarre Echsenbach dem Klimabündnis beigetreten. "Die Diözese St. Pölten, selbst Klimabündnisdiözese, ermutigt die Pfarren, diesem Beispiel zu folgen", ermunterte deren Bischof.
Auch hinsichtlich der Umstellung von fossilen auf erneuerbare Energien sei die Diözese St. Pölten heuer mit der Errichtung des Wasserkraftwerkes und zweier großer Photovoltaik-Anlagen "bedeutsame Schritte gegangen". Schwarz berichtete, dass er im Vorjahr die Weichen für ein weiteres ökologisches Vorzeigeprojekt stellte: Inmitten von St. Pölten wurde durch den Bau eines Wasserkraftwerkes - "dazu wurde eine Turbine in den Mühlbach eingebaut" - bewirkt, dass die kirchlichen Gebäude und das Bildungshaus St. Hippolyt stromautark mit erneuerbarer Energie durch Wasserkraft versorgt werden können. Das Kraftwerk gehe im August in Vollbetrieb.
3 Mio. Euro für Energieprojekte
Ein großes Investment seiner Diözese kündigte Schwarz im Bereich Energieversorgung an: In den Pfarren sei erhoben worden, in welchen Gebäuden die Ölheizung durch eine Biomasse-Heizung oder durch Fernwärme ersetzt werden. Daraus hätten sich Nettoinvestitionskosten in der Höhe von etwa 3 Mio. Euro ergeben. Mit diesem Geld seien bereits etwa 60 Optimierungen bzw. Heizsystemumstellungen, knapp 50 Wärmedämmmaßnahmen, sechs Photovoltaikanlagen und knapp 50 Umstellungen auf energiesparende LED-Beleuchtung durchgeführt worden, teilte der Bischof mit. Mit dem Land NÖ gebe es eine erfolgreiche Zusammenarbeit bei der Energiesparberatung.
Weiters erwähnte der Schwarz kontinuierliche Impulse für Pfarren zur Nachhaltigkeit beim Wirtschaften, etwa bei der Gestaltung von Festen, Bemühungen um schöpfungsgerechte Pfarrgärten und Friedhöfe sowie durch Veranstaltungen zum Thema Schöpfung geleistete Bewusstseinsbildung. Die Diözese St. Pölten und das Land Niederösterreich vergeben gemeinsam mit der evangelischen Kirche und anderen Organisationen alljährlich den diözesanen Umweltpreis; und mit 10.000 Euro dotiert ist der österreichweite "Umweltpreis 2023 der evangelischen und katholischen Kirche" (https://www.schoepfung.at/umweltpreis).
Sprecher der katholischen und evangelischen Umweltbeauftragten, Gerhartinger: Ökumenische Schöpfungszeit soll Kontrast setzen zu Tendenz, dass viele immer sofort wissen, "was am Vorschlag des anderen schlecht, verkehrt oder falsch ist"
Wallfahrten zu Fuß boomen. Ein Geheimtipp ist noch der landschaftlich und spirituell ergiebige Weg zwischen Oslo und Trondheim, der heuer im Programm des christlichen Tourismusunternehmens "Weltanschauen" stand und die Teilnehmenden begeisterte - Von Robert Mitscha-Eibl
Linzer Moraltheologe Rosenberger: Wissenschaftliche Berechnungen lassen bei Umsetzung der jetzt geplanten Klimaschutzmaßnahmen einer Erderwärmung von 2,7 Grad befürchten - Das sei angesichts der dann zu erwartenden Extremwetterereignisse unbedingt zu vermeiden
TU-Wien-Experte Harald Frey sieht in "Sonntag"-Interview Flächenwidmungen, Förderung des öffentlichen und Fahrradverkehrs und weniger Tempo im Straßenverkehr als Ansatzpunkte
Kirchen in Österreich machen von 1. September bis 4. Oktober auf die Dringlichkeit des Klimaschutzes und gesamtgesellschaftlicher wie persönlicher Verhaltensänderungen aufmerksam - Gottesdienst des Ökumenischen Rates der Kirchen am 15. September in Wien