Appell an EU-Bürgerinnen und -Bürger, am 9. Juni ihr Stimmrecht auszuüben, "um damit Europa konstruktiv mitzugestalten" - Herausforderungen bei Lebensschutz, Migration, EU-Erweiterung, Umweltkrise sowie Digitalisierung erfordern Zusammenhalt und den Beitrag von Christinnen und Christen
Wien, 08.03.2024 (KAP) Österreichs Bischöfe erweisen sich im Hinblick auf die Wahl des EU-Parlaments als überzeugte Europäer: Die vielfältigen Herausforderungen, vor denen die Welt und mit ihr Europa stünden, gelte es - auch auf Basis des christlichen Wertefundaments und des Beitrags von Christinnen und Christen - solidarisch zu lösen. In ihrer mit Abstand längsten Erklärung im Anschluss an ihre Frühjahrsvollversammlung in St. Georgen am Längsee appellieren die Bischöfe zugleich an alle Bürgerinnen und Bürger der EU, bei der anstehenden Wahl, die in Österreich am 9. Juni 2024 stattfindet, ihr Stimmrecht auszuüben, "um damit Europa konstruktiv mitzugestalten und die Demokratie zu stärken".
Die Bischofskonferenz benennt fünf akute Herausforderungen, die jenseits nationalstaatlicher Teilinteressen Zusammenhalt erforderten: Achtung vor dem menschlichen Leben, Migration, Ukraine und Außenerweiterung, Klima- und Umweltkrise sowie Künstliche Intelligenz und Digitalisierung. Zunächst erinnern sie in ihrer Erklärung an den Ursprung der Europäischen Union als Friedensprojekt: Nach den Schrecken der beiden Weltkriege sei es "der Anstrengung einiger zutiefst christlich geprägter Visionäre zu verdanken" gewesen, dass Grundsteine für ein neues Europa gelegt wurden, in dem Aussöhnung zwischen einst verfeindeten Nationen nachhaltigen Frieden geschaffen habe. Diesem "primären Zweck" sei die EU bisher gerecht geworden, halten die Bischöfe fest. Zugleich zeige "der furchtbare Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine" deutlich, "wie wichtig und zugleich gefährdet" der Friede sei.
Glaube als Wertebasis darf nicht verschwinden
Mit Blick auf die "prophetische Vision der Gründerväter" der EU - die Bischöfe zitierten dazu die berühmte Schuman-Erklärung vom 9. Mai 1950 - erinnert die Erklärung weiters daran, dass sich die Union nach einer zunächst primär ökonomischen Ausrichtung immer mehr auch auf den politischen, sozialen und kulturellen Bereich ausgeweitet habe. "Dabei geht es darum, Einheit bei gleichzeitiger Bewahrung nationaler und regionaler Identitäten zu schaffen", betont die Bischofskonferenz. Das sich stets neu stellende Ziel sei "Einheit in Vielfalt".
Sorge äußern die Bischöfe um den tiefen Glauben der damaligen politisch Verantwortlichen, "der immer mehr in Vergessenheit zu geraten droht". Die Europäische Union fuße auf dem jüdisch-christlichen Fundament der uneingeschränkten Achtung vor der Würde jedes einzelnen Menschen. "Wo Europa diese Grundlagen verliert, ist letztlich immer der Mensch in Gefahr", warnen die Bischöfe. Daher sei es eine besondere Aufgabe der Kirche und aller Christen, die christliche Wertebasis Europas wach zu halten.
Pochen auf Lebens- und Asylrecht
Dies betreffe etwa das erste der genannten Herausforderungen: die Achtung vor dem menschlichen Leben. "Mit Bedauern und Sorge" erwähnen die Bischöfe hier die zahlreichen Aufrufe des Europäischen Parlaments und einiger Regierungen, Abtreibung in die Charta der Grundrechte aufzunehmen. "Ein Grundrecht kann es aber nur auf das Leben geben, nicht aber auf die Tötung der Schwächsten", hält der heimische Episkopat dem entgegen.
Auch im Migrations- und Asylpaket, auf das sich die EU-Mitglieder nach langen Verhandlungen geeinigt haben, gebe es wesentliche Punkte, "denen die Kirche nicht beizupflichten vermag". Die Bischöfe pochen hier auf die Einhaltung des Grundrechts auf Asyl, das Recht auf Familienzusammenführung und "die unabdingbare Menschenwürde aller Migranten und Asylwerber in jeder Phase des Asylverfahrens".
Solidarität mit Ukraine bis hin zum EU-Beitritt
Zum Thema Union-Erweiterung in Richtung Ukraine (das Kriegsland hat seit Juni 2022 den Status eines EU-Bewerberlandes, Anm.) fordern die Bischöfe "weiterhin unbedingte Solidarität, auch wenn es uns viel kosten mag". Wenn die Ukraine voll in den europäischen Raum integriert wird, werde es für sie eine langfristige Perspektive geben. Die kommenden Aufnahmegespräche seien somit "mit Ernst und echter Anstrengung" zu führen. Ebenso wird aus Sicht der Bischöfe die Notwendigkeit, den Ländern des Westbalkans wirkliche Aufnahme-Perspektiven zu geben, "immer offensichtlicher". Österreich könne hier aufgrund seiner historischen und kulturellen Nähe eine besondere Anwaltschaft übernehmen.
Gegen die Klima- und Umweltkrise müsse "aus Verantwortung unserem Schöpfer, unseren nachkommenden Generationen, aber auch den bereits unter dem Klimawandel leidenden Menschen gegenüber" alles getan werden, um die bedrohlichen Folgen des Klimawandels so gering wie möglich zu halten, betonen die Bischöfe zu einer weiteren zentralen Herausforderung der kommenden Jahre. Die EU-Institutionen hätten hier mit dem "Green Deal" bereits eine wertvolle sozial-ökologische Richtungsänderung getroffen. "Dennoch nehmen die Entfremdung und Polarisierung in Teilen der Bevölkerung angesichts der ökologischen Krisen und des Umgangs damit zu", äußern die Bischöfe ihre Sorge.
Zu den wachsenden Bereichen Künstliche Intelligenz und Digitalisierung mahnt die Bischofskonferenz zu besonderer Wachsamkeit angesichts der Möglichkeiten, "die Menschen manipulieren, ihre Freiheit einschränken und das demokratische Zusammenleben fundamental gefährden können".
EU "kann und muss sich bewähren"
Die exemplarisch genannten Herausforderungen würden deutlich machen, dass sie "nur in einem größeren Verbund gemeistert" werden können. "Die Europäische Union kann und muss sich darin bewähren und sie steht dabei für Demokratie in Verbindung mit Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten", bekunden die Bischöfe Vertrauen in die Zukunftsfähigkeit der Union. Die Bischöfe danken abschließend den vielen Menschen, die sich für dieses gemeinsame Europa in vielfältigster Weise engagieren, und appellieren an alle Wahlberechtigten, ihr Stimmrecht auszuüben.
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