Irak: Ordensmann erinnert an Schicksal der Jesiden
28.09.202409:46
Irak/Kirche/Konflikte/Religion/Orden
In Sulaymaniyah lebender Ordensmann P. Petzold im Interview mit dem ORF und dem Salzburger "Rupertusblatt" über Situation der Jesiden und Christen im Irak und das Zusammenleben mit der muslimischen Mehrheit
Wien/Salzburg/Erbil, 28.09.2024 (KAP) Auf das Schicksal hunderttausender heimatloser Jesiden hat der im Irak lebende Ordensmann Jens Petzold in der ORF-Radiosendung "Religion aktuell" (Donnerstag) und im Interview mit dem Salzburger "Rupertusblatt" (aktuelle Ausgabe) hingewiesen. Die Vereinten Nationen sprechen von 5.000 bis 10.000 Jesiden, die vor gut zehn Jahren vom IS ermordet wurden und rund 7.000 jesidischen Frauen und Kindern, die entführt und versklavt wurden. Zigtausende mussten fliehen, um ihr Leben zu retten. Beobachter gehen von bis zu 3.000 Personen aus, die noch immer nicht befreit sind bzw. vermisst werden. Viele der rund 400.000 Überlebenden der religiösen Minderheit würden in Flüchtlingslagern im Nordirak leben, "in einer schwierigen Lage" ohne Zukunftsperspektiven, so Petzold gegenüber dem ORF.
Im "Rupertusblatt" erinnerte er sich an die dramatischen Ereignisse im Jahr 2014 zurück. Petzold lebt seit 2011 in der kurdischen Stadt Sulaymaniyah, wo er das örtliche Marienkloster (Deir Maryam Al-Adhra, Kloster der Jungfrau Maria) revitalisiert hat. Gerade als die Baumaßnahmen weitgehend abgeschlossen waren und das "Klosterleben" so richtig hätte Fahrt aufnehmen sollen, fiel im August 2014 die Terrormiliz IS in die Ninive-Ebene ein. Hundertausend Christen und unzählige Jesiden mussten fliehen.
"Viele vertriebene Jesiden kamen in unsere Gemeinde", so Petzold: "Unsere Kirchengemeinde aus 1.300 Mitgliedern leistete Enormes. Anfangs waren es 5.000 Flüchtlinge, die wir versorgten. In ganz Kurdistan waren es zwei Millionen Vertriebene bei fünf Millionen Einwohnern. So etwas wäre in Europa nicht möglich." Auch in der Marienkirche wurden über mehrere Monate zahlreiche Geflüchtete untergebracht.
Es gab allerdings Kommunikationsprobleme, so der Ordensmann: "Es sind viele arabisch sprechende Menschen in Sulaimaniyya, die kein Kurdisch sprechen. Die Kurden können nicht mehr so gut Arabisch wie früher. Unsere Idee: Wir möchten etwas tun, um den Kommunikationsgraben kleiner zu machen. Wir begannen Sprachkurse für Kurdisch, Arabisch und auch Englisch anzubieten, um die Kommunikation zwischen verschiedenen Gruppen zu verbessern."
P. Jens bietet bis heute im Kloster Sprachkurse an. Dazu gibt es verschiedene Ausbildungsmöglichkeiten für junge Erwachsene, für Frauen und Aktivitäten für Kinder. 90 Prozent der Menschen, denen die Arbeit des Ordensmannes zugutekommt, sind Muslime.
Petzold gehört der in Syrien beheimateten Ordensgemeinschaft von Mar Musa an. Deren Gründer, der italienische Ordensmann Pater Paolo Dall'Oglio, wurde 2013 entführt und ist seither verschwunden. Petzold kam in den 1990er-Jahren mit Mar Musa in Berührung. Eigentlich unterwegs nach Japan auf der Suche nach dem Sinn des Lebens blieb er in Syrien hängen und wurde schließlich von P. Paolo getauft und später Mönch.
Petzold: "Was mich anzog, war die Gastfreundschaft und die Offenheit gegenüber anderen Religionen. Das drückt sich in einer Neugierde aus, in einem Wissen wollen, was ist die Erfahrung des anderen mit Gott. Wie ist sein Weg mit Gott, wie erfährt er Gott in seinem Leben? Das hat mich fasziniert." Heute arbeite er genau deshalb auch so viel mit Muslimen zusammen. "Alle zwei Wochen diskutieren wir am Frühstückstisch über religiöse Themen."
Im ORF-Interview zeigte sich Petzold besorgt über die Abwanderung der einheimischen Christen aus dem Irak. Die fast zweitausendjährige christliche Tradition des Irak sei gefährdet. Zugleich wies er aber auch darauf hin, dass Christen aus Indien und den Philippinen als Arbeitsmigranten neu ins Land kämen.
Petzold war vergangene Woche als Referent bei der Jahrestagung der "Initiative Christlicher Orient" (ICO) in Salzburg zu Gast, die heuer den Irak als Schwerpunkt hatte.
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