Vatikan rügt Abt von Saint-Maurice für Fehlverhalten
19.10.202411:53
Schweiz/Vatikan/Kirche/Religion/Orden
Zuständiges Dikasterium verurteilt auch nach Ende staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen "Unvorsichtigkeit" des derzeit dienstfrei gestellten Leiters des Schweizer Klosters
Saint-Maurice, 19.10.2024 (KAP) Der Vatikan rügt den Abt der Abtei Saint-Maurice der Augustiner-Chorherren, Jean Cesar Scarcella in der Schweiz für unangemessenes Verhalten einem jungen Mann gegenüber. Gleichzeitig erklärte die zuständige Bischofs-Behörde aber, dass "es in dem betreffenden Fall keine Beweise für Missbrauch oder Belästigung im eigentlichen Sinn gibt". Das teilte die Abtei am Freitag in Saint-Maurice mit.
Dem 72-Jährigen wurde vorgeworfen, sich einem Jugendlichen gegenüber übergriffig verhalten zu haben. Nachdem die Vorwürfe im September 2023 öffentlich geworden waren, hatte Scarcella (72) sein Amt bis auf Weiteres niedergelegt, um die Ergebnisse einer kirchlichen Untersuchung abzuwarten. Am Donnerstag hatte die Staatsanwaltschaft im Kanton Wallis erklärt, alle angezeigten Fälle von sexuellem Missbrauch eingestellt zu haben. In den meisten Fällen seien die Gründe dafür Verjährung oder die Unmöglichkeit, den Sachverhalt zu belegen, hieß es. Dies sei auch bei Scarcella der Fall.
Das Verhalten Scarcellas sei dennoch zu verurteilen, so das Dikasterium für die Bischöfe unter Leitung von Präfekt Kardinal Robert Francis Prevost, da es eine Haltung demonstriere, "die nicht der Vorsicht entspricht, die von Klerikern in zwischenmenschlichen Beziehungen erwartet wird". Dafür werde Scarcella eine "formelle Rüge" ausgesprochen. Die Entscheidung, ob Scarcella nun in sein Amt zurückkehren wird, steht laut Mitteilung noch aus.
Die Abtei Saint-Maurice gilt als ältestes Kloster des Abendlandes, das ohne Unterbrechung besteht. Sie untersteht unmittelbar dem Papst. Der Ruf der im 6. Jahrhundert gegründeten Abtei wurde in den vergangenen Monaten durch Vorwürfe sexueller Verfehlungen schwer erschüttert.
Der Scarcella zunächst nachgefolgte klosterinterne Interimsleiter trat zurück, nachdem er der sexuellen Nötigung eines Novizen vor 20 Jahren beschuldigt wurde. Im November ernannte Papst Franziskus den ehemaligen Oberen der Kongregation des Großen Sankt Bernhard, Jean-Michel Girard (75), zum päpstlichen Interimsverwalter (Apostolischen Administrator).
Rüge auch an andere Schweizer Kirchenführer
Am Freitag hatte der Vatikan darüber hinaus auch fünf anderen Schweizer Bischöfen "nicht korrekten Umgang" mit Meldungen über sexuellen Missbrauch vorgeworfen. Kirchenrechtliche Verfahren seien nicht ordnungsgemäß befolgt worden, hieß es in einer Rüge, verbunden mit einer Aufforderung an die gesamte Schweizer Bischofskonferenz, "künftig aufmerksamer zu agieren, die gemeldeten Missbrauchsfälle mit größter Sorgfalt und Fachkenntnis zu behandeln und dabei alle geltenden Normen des Ermittlungsverfahrens strikt einzuhalten".
Medienberichten zufolge seien manche Missbrauchsfälle zeitlich verzögert nach Rom gemeldet worden, zudem seien bei der Auswahl von Priesteramtskandidaten vorgeschriebene Überprüfungen übergangen worden. Auch der "ambivalente und unangebrachte Umgang der Kleriker im zwischenmenschlichen Umgang" in der Abtei Saint-Maurice fand in der Mitteilung Erwähnung, detailliertere Folgeschreiben wurden in Aussicht gestellt. Vorausgegangen war eine kircheninterne Voruntersuchung, deren Ergebnisbericht die Schweizer Bischofskonferenz Anfang 2024 nach Rom gesandt hatte.