Franziskus bei Begegnung im Vatikan mit Freiwilligen und Gästen der Armenausspeisung im Wiener Erzbischöflichen Palais: Nächstenliebe braucht neben materieller Hilfe auch Freundlichkeit - "Erbettelte" Sachertorte für den Papst
Vatikanstadt/Wien, 08.11.2024 (KAP) Papst Franziskus hat am Freitag eine Gruppe von Wiener Obdachlosen und ihren freiwilligen Helfern im Vatikan empfangen. Wie das vatikanische Presseamt mitteilte, begrüßte er die rund 30-köpfige Gruppe auf Deutsch mit einem "Guten Morgen!" und sagte am Ende, nach einem stillen Gebet, ebenfalls auf Deutsch: "Gott segne uns alle." Der Gruppe, die sich regelmäßig im Erzbischöflichen Palais in Wien trifft, trug der Papst Grüße an Kardinal Christoph Schönborn auf, der nicht mit nach Rom gekommen war.
In seiner Ansprache ging der Papst auf die besonderen Lebensgeschichten seiner Gäste ein. Jeder Mensch sei einzigartig, betonte er, und sagte weiter: "Ihr kommt aus ganz unterschiedlichen Ländern, gehört verschiedenen religiösen Bekenntnissen an und habt je eigene Lebenserfahrungen, oft auch schwere Schicksalsschläge, hinter euch. Aber eines vereint uns alle - wir sind Brüder und Schwestern, Kinder des einen Vaters im Himmel."
Franziskus würdigte bei der Audienz im Apostolischen Palast auch das Engagement der mitgereisten Helfer. Menschliche Nähe werde nicht nur in materieller Hilfe, sondern auch in kleinen Alltagsgesten erfahrbar, unterstrich er, und niemand sei dabei nur Empfänger oder nur Geber. "Jeder gibt, was er kann, und empfängt, was er braucht. Wir alle sind Geber und Empfänger, wir brauchen einander und sind aufgerufen, uns gegenseitig zu bereichern", so das Kirchenoberhaupt.
Christ zu sein bedeute, sich selbst zu einem Geschenk für andere zu machen, so der Papst. In der Güte, jedoch auch schon in einem Lächeln, im freundlichen Blick, im offenen Ohr und durch den uneigennützigen Dienst werde der Auftrag Jesu zur Nächstenliebe umgesetzt. Einander beizustehen schaffe zudem Brücken über Nationalitäten und Glaubensrichtungen, so Franziskus in Anspielung auf die bunte Zusammensetzung seiner Gäste.
"Erbettelte" Sachertorte für den Papst
Die vom Papst empfangene Gruppe lädt mehrmals im Monat armutsbetroffene Menschen in den Hof des Erzbischöflichen Palais in der Wiener Wollzeile zu einer warmen Mahlzeit und einem Kuchenbuffet. Zudem werden Lebensmittel, Kleidung und Hygieneartikel ausgegeben. Derzeit nehmen zwischen 150 und 200 Personen dieses Angebot an. Organisiert wird es von einem Freiwilligen-Team von insgesamt über 40 Personen, darunter Menschen aus verschiedenen Herkunftsländern, wobei etliche selbst Notsituationen durchlebt haben, darunter auch aus der Ukraine Geflüchtete sowie Kinder und Jugendliche.
Die Besucher aus Wien überreichten dem Papst eine Sachertorte, "die wie alle Lebensmittel und Hilfsgüter, die wir den Menschen weitergeben, erbettelt war und die Aufschrift: 'Verkündet allen das Evangelium, wenn es sein muss, auch mit Worten' trug", wie die Leiterin des Projekts, Jeanette Lehrer, im Anschluss im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Kathpress berichtete. Papst Franziskus habe bei der Begegnung "gestrahlt", sich sichtlich über die Gruppe gefreut und einem der Gäste beim Platznehmen geholfen. "Man hat gemerkt, dass er das, was er predigt, auch selbst lebt", so Lehrer.
Segensgottesdienst mit Obdachlosen
Die Worte von Franziskus an seine Besucher seien eine wichtige Erinnerung gewesen, "dass Menschen nicht nur Brot brauchen, sondern auch gelebte Menschlichkeit, um das Evangelium zu erleben", sagte Christian Platzer aus dem Helferteam gegenüber Kathpress. Der Papst mit seinen Appellen entscheidend zum Entstehen der Wiener Armenausspeisung beigetragen und den "Welttag der Armen" eingeführt, erinnerte Platzer. Rund um den weltweiten kirchlichen Aktionstag, der heuer auf den 17. November fällt, veranstaltet die Wiener Gruppe für Obdachlose und Armutsbetroffene Kinobesuche, ein Festmahl und einen Segensgottesdienst im Wiener Stephansdom, der wie schon in den vergangenen Jahren auch heuer von Kardinal Schönborn geleitet wird.
Der Besuch beim Papst war Teil einer Pilgerreise, welche die Gruppe aus Wien außer nach Rom auch nach Assisi, Greccio und Loreto führte. Für Freitag stand außerdem ein gemeinsames Abendessen in der deutschsprachigen Pfarre Santa Maria dell'Anima auf dem Programm.