Erzbischof von Canterbury und Anglikaner-Primas: Papst ist "Erster unter Gleichen" - "Einheit ist jedoch nicht gleichbedeutend mit Einstimmigkeit"
Paris, 09.11.2024 (KAP/KNA) Die meisten anglikanischen Bischöfe anerkennen nach Ansicht des Erzbischofs von Canterbury den Primat des Papstes. In einem Interview für die aktuelle Ausgabe der französischen Wochenzeitung "La Vie" (6.11.) sagte Erzbischof Justin Welby, dass der Primat des Papstes heute ganz anders funktioniere als vor der Reformation. Bei Welbys gemeinsamer Reise mit Papst Franziskus und dem Moderator der Generalversammlung der Kirche von Schottland in den Südsudan im vergangenen Jahr sei es für die beiden anderen klar gewesen, "dass Papst Franziskus der erste von uns dreien war".
Die Rangfolge sei von allen ohne Bedauern und Vorbehalte akzeptiert worden. "Aber es gab auch keinen Zweifel daran, dass wir zusammenarbeiten würden, nicht auf einer hierarchischen Basis, sondern mit ihm als dem Ersten unter Gleichen, dem Ältesten unter Gleichen", so Welby, der als Erzbischof von Canterbury Primas der weltweiten anglikanischen Gemeinschaft ist.
Welby sieht die Einheit als eine der größten spirituellen Herausforderungen für die Christenheit insgesamt. Es sei der Wille Christi, dass die Christinnen und Christen eins sein sollen. "Einheit ist jedoch nicht gleichbedeutend mit Einstimmigkeit: Die größte spirituelle Herausforderung besteht darin, einander in unserer Vielfalt zu lieben. Wir dürfen nicht glauben, dass unser eigenes Zeugnis das einzige ist, das zählt, und riskieren, mit dem anderen zu brechen", erläuterte der Erzbischof.
Im Juni hatte die für die Ökumene zuständige Vatikan-Behörde, das Dikasterium zur Förderung der Einheit der Christen, mit dem Dokument "Der Bischof von Rom" Vorschläge für ein neues Verständnis des Papstamtes vorgestellt. Reaktionen aus der Ökumene würdigten das Dokument für seine neuen Perspektiven für die Beziehungen unter den Kirchen. Insbesondere die Bereitschaft, die auf dem Ersten Vatikanischen Konzil (1869-1870) zum Dogma erhobene Lehre zur Stellung des Papstes neu zu interpretieren, stieß auf Zustimmung.