Oberster deutscher Lutheraner: Selbstkritik an Politik-Äußerungen
09.11.202411:25
(zuletzt bearbeitet am 10.11.2024 um 10:13 Uhr)
Deutschland/Kirche/Politik/Evangelische
Leitender Bischof der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands, Meister, hinterfragt Sinnhaftigkeit und Motive von kirchlichen Stellungnahmen z.B. gegen Populismus
Würzburg, 09.11.2024 (KAP/KNA) Deutschlands Kirchen müssen sich nach Worten des leitenden Bischofs der Lutheraner fragen, ob sie mit ihren politischen Äußerungen nicht zu mehr Ressentiments und Populismus in der Gesellschaft beigetragen haben. Das sagte der Leitende Bischof der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD), Ralf Meister, am Freitag vor der in Würzburg tagenden Generalsynode der VELKD. "Es darf die kritische Frage erlaubt sein, ob wir als Kirchen mit unseren Verlautbarungen und Verkündigungen [...] Ressentiments bestätigt und geschürt haben", so Meister. "Ging es uns wirklich immer um die Sache oder auch um Selbstdarstellung?"
Nach den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen habe er eine kirchliche Pressemitteilung mit dem Statement "Wir müssen reden, reden, zuhören, zuhören, reden, reden" gelesen, so Meister. Inhaltlich stimme er damit überein, aber er würde die Gewichtung ändern: "Zuhören, zuhören, reden, zuhören, zuhören", so der Bischof. "Nur wer bereit ist, aus seinem geschlossenen System herauszukommen, kann in einem Gespräch dazu beitragen, Neues zu schaffen."
Die VELKD ist der Zusammenschluss der lutherischen Landeskirchen in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), der auch reformierte und unierte Gliedkirchen angehören.
Kirchengemeinschaft mit Altkatholiken?
Bischof Meister, teilte weiters mit, dass die VELKD und das katholische Bistum der Alt-Katholiken in Deutschland auf Gespräche über die Erklärung einer Kirchengemeinschaft zusteuern. Bereits seit 1985 besteht zwischen den Kirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und dem Bistum der Alt-Katholiken in Deutschland die gastweise Einladung zu Abendmahl und Eucharistie. 2016 wurden die Konfirmation und die Firmung wechselseitig anerkannt. Seit 2017 ist ein gemeinsames ökumenisches Trauungsritual ("Agende") im Gebrauch.
Wie Meister ausführte, habe eine Gesprächskommission von Lutheranern und Altkatholiken ihre jüngste Dialogreihe mit der Feststellung abgeschlossen, dass sie "keinen theologischen Grund dafür sieht, die Getrenntheit ihrer Kirchen weiter aufrechtzuerhalten". Schritte zur Erklärung von Kirchengemeinschaft seien deshalb empfehlenswert.
Die altkatholischen Kirchen entstanden Ende des 19. Jahrhunderts durch Abspaltungen von der römisch-katholischen Kirche. Anders als dort dürfen Priester heiraten; zudem sind seit 1994 auch Frauen zum Priesteramt zugelassen. In Deutschland gibt es rund 16.000 Altkatholiken, verteilt auf etwa 100 Gemeinden.