Linzer Universitätsprofessor Alois Birklbauer im Interview mit Linzer Kirchenzeitung: Wirksame Verbrechens-Prävention findet außerhalb des Strafrechts statt
Linz, 15.11.2024 (KAP) Auf die begrenzte Wirkung von Strafen im Sinne von Abschreckung und Verhaltensänderung hat der Strafrechtsexperte Alois Birklbauer hingewiesen. Eine empirische Evidenz, dass Strafen präventiv wirken, fehle, obwohl viele Passagen im Strafrecht in den letzten fünfzehn Jahren verschärft worden seien. Mehr soziale Gerechtigkeit bringe das nicht. So lautete der Befund des Universitätsprofessors für Strafrechtswissenschaften an der Johannes Kepler-Universität Linz in einem Interview mit der Linzer Kirchenzeitung (aktuelle Ausgabe), der festhält: "Sozial gerechte Strafverfahren sind zum Wunschtraum geworden."
Birklbauer sprach in diesem Zusammenhang von "punktuellen Showmaßnahmen" der Politik, die kaum Wirkung zeigten und nannte als Beispiel die Vervierfachung der Strafdrohungen bei Cybercrimes. Das Ausmaß der Strafe sei aber nicht verhaltenssteuernd, weil es keinen "rational kalkulierenden Verbrecher" gebe. Wirksame Prävention finde vielmehr außerhalb des Strafrechts statt.
Auch seien vor dem Gesetz nicht alle gleich, führte Birklbauer weiter aus. So sei es ein Irrglaube, dass alle Menschen in Österreich eine Rechtsvertretung vom Staat gestellt bekämen, wenn ihnen das Geld für einen Anwalt oder eine Anwältin fehle. Das liege an gesetzlichen Bestimmungen und mangelnden Ressourcen. Zwei Drittel aller Verfahren gegen sozial Bedürftige fänden ohne Verfahrenshilfe statt, so Birklbauer. Auch für polizeiliche Einvernahmen sei für Beschuldigte mit einem Einkommen unter dem Existenzminimum kein rechtlicher Beistand vorgesehen, obwohl dort vielfach die Weichen für das weitere Verfahren gestellt werden. 1.000 Euro kostet die Rechtsvertretung bei einer polizeilichen Einvernahme in Oberösterreich, und diese müsse sofort bezahlt werden.
Präventionsmaßnahmen würden viel Geld kosten, räumte Birklbauer ein, aber auch Straftaten seien teuer und oft mit enormen Traumatisierungen verbunden. Um beispielsweise jugendliche Straftäter zu verhindern, müssten junge Menschen eine Chance auf soziale Integration erhalten. Werteerziehung und Beziehungsarbeit im Bildungsbereich brauchten aber ausreichend Personal und damit mehr finanzielle Unterstützung. Dort, wo es einen hohen sozialen Standard gibt, ist die Kriminalität gering, erklärte der Strafrechtler. Und: "Menschen wegen Armut zu bestrafen, ist nicht fair."