Frühchristliche Basilika im norditalienischen Aquileia entdeckt
20.11.202407:00
Österreich/Italien/Archäologie/Christentum
Forscher der Österreichischen Akademie der Wissenschaften entdecken monumentale Kirche nach byzantinischem Vorbild - Fund wirft neues Licht auf religiöse Entwicklung und geopolitische Bedeutung der Stadt, die eine Metropole des Römischen Reichs und bis ins Mittelalter ein kirchliches Zentrum samt Patriarchen war
Wien/Rom, 20.11.2024 (KAP) Eine bislang unbekannte frühchristliche Basilika haben Forschende der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in Aquileia in Norditalien entdeckt. Der monumentale Bau entstand vermutlich unter Kaiser Justinian I. in der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts. Laut Archäologen ist dies der erste neu entdeckte Großbau seit Jahrzehnten in der bereits intensiv erforschten Stadt. Aquileia war einst eine Metropole des Römischen Reichs und bis ins Mittelalter ein kirchliches Zentrum mit einem Patriarchen. Der Grundriss und die daran zu erkennende Architektur der Basilika zeigen auffällige Parallelen zum oströmischen Reich, was die Entdeckung besonders spannend macht, erklärte ÖAW-Archäologe Stefan Groh gegenüber der Nachrichtenagentur Kathpress (Mittwoch).
Aquileia, etwa zehn Kilometer von der Lagune von Grado entfernt, ist bekannt für seinen Dom mit den größten erhaltenen frühchristlichen Mosaiken der westlichen Welt. Neben dem in seinen Ursprüngen ins 4. Jahrhundert zurückreichenden Dom, der im Zentrum der spätantiken Stadt lag, existierten damals auch kleinere Kirchen an den Ausfallstraßen. Das Gelände, auf dem die Forscherinnen und Forscher des Österreichischen Archäologischen Instituts der Österreichischen Akademie der Wissenschaften nun ihren antiken Zufallsfund machten, liegt westlich des heutigen Aquileia an der Via Annia, der damaligen Hauptstraße und Handelsroute nach Rom. "Hier wurde offenbar eine sehr große Kirche mit byzantinischem Grundriss errichtet", so Groh.
Geophysikalische Messungen und Bohrungen ermöglichten die Identifizierung der Basilika. Ursprünglich im 4. Jahrhundert als einfacher Kirchenbau errichtet, wurde sie laut ÖAW wahrscheinlich in der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts unter Kaiser Justinian zu einer dreischiffigen Transeptbasilika mit drei Apsiden erweitert. Solche Kirchenbauten ließen sich im oströmischen Reich von Ägypten über den Nahen Osten wie in Bethlehem, die lykische Küste im Südwesten der Türkei und den Balkanraum im heute albanischen Durres nun auch bis zur Oberen Adria nachweisen, erklärte Groh.
Die architektonische Ausrichtung nach Südosten in Richtung Konstantinopel und Jerusalem deute auf die Rückeroberung Oberitaliens durch Justinian hin. "Dieser Bau ist nicht nur ein religiöses Monument, sondern ein Zeichen von Macht und kultureller Integration in der Region", so der Archäologe. Der Fund deute auf ein größeres byzantinisches Bauprogramm hin.
Parallelen zu Kirche in Kärnten
Die in Kooperation mit der zuständigen italienischen Denkmalpflege-Behörde "Soprintendenza" erfolgten Forschungen geben Einblick in die historische Stadtentwicklung Aquileias und ihre Verbindung zu byzantinischen Baustrukturen. Die antiken "'geopolitischen' Baumaßnahmen" strahlten unter anderem bis ins heutige Kärnten aus, was anhand der Bischofskirche von Teurnia in St. Peter in Holz unweit des Millstätter Sees zu erkennen sei. "Die wurde im 6. Jahrhundert mit einem ähnlichen Bauplan wie die neue Basilika von Aquileia adaptiert", machte ÖAW-Archäologe Groh aufmerksam.
Die gesammelten Daten zur Entdeckung der neuen Basilika in Aquileia wird der Experte zusammen mit Überlegungen zu Chronologie und Genese des Baus nun einmal in Fachzeitschriften publizieren. Für Ausgrabungen als weiteren Schritt bräuchte es neben der Genehmigung der Behörden in Italien auch eine Finanzierung, schilderte Groh. "Man müsste natürlich kleinflächig graben, um das zu verifizieren und auch vor allem die zeitliche Entwicklung dieses riesigen, großen Kirchenbaus zu rekonstruieren."
Ein Zentrum der Evangelisation Europas
Aquileia war vom 4. bis ins 8. Jahrhundert eines der ersten großen Zentren der Evangelisation Europas. Dem Patriarchen von Aquileia unterstanden 25 Diözesen in Bayern, Österreich, Ungarn, Slowenien, Kroatien und Norditalien. Obwohl es im Mittelalter an Macht verlor, wurde das Patriarchat erst 1751 aufgelöst. An seine Stelle traten die neu gegründeten Diözesen Udine und Görz.