Autor Haberl: Weg der Kirche in die Harmlosigkeit wäre fatal
22.11.202409:00
Österreich/Kirche/Glaube/Buch/Haberl
Bayrischer Journalist Haberl im Interview mit Kathpress und den Medien der Erzdiözese Wien über sein neues Buch "Unter Heiden"
Wien, 22.11.2024 (KAP) Für eine unbequeme Kirche, die nicht dem Zeitgeist folgt, plädiert der bayrische Autor und Journalist Tobias Haberl in seinem neuen Buch "Unter Heiden". Im Interview mit "Kathpress", der Wiener Kirchenzeitung "Der Sonntag" und "Radio Klassik Stephansdom" berichtet Haberl über seinen persönlichen Glauben in einem weitgehend religionslosen bzw. der Kirche eher negativ gesinnten Umfeld. Gerade auch deshalb wolle er vor einem Weg der Kirche in die Harmlosigkeit warnen, so der Journalist.
Haberl schreibt als Autor für die "Süddeutsche Zeitung" und lebt in München. "Sowohl in meinem gentrifizierten Viertel als auch bei der linksliberalen Zeitung, für die ich arbeite, bin ich von Menschen umzingelt, die mit Gott wenig und der Kirche überhaupt nichts anfangen können", so der Autor: "Manche halten sie für überflüssig, andere für das Böse schlechthin." So stoße er mit seinem Glauben auf sehr viel Unverständnis.
Haberl: "Es ist sonderbar: Einen Atemworkshop in Thailand zu besuchen, ist in diesen Kreisen das Normalste der Welt, aber wenn man erzählt, dass man am Sonntag in die Messe geht, wird man angeschaut wie ein Marsmensch." Der Glaube spiele keine Rolle, und wenn doch, "dann verbunden mit der Forderung, dass die Kirche endlich zeitgemäß werden müsse". Niemand verstehe, "dass ihr Wert gerade in der Differenz zum Zeitgeist liegt".
Kirche muss auch unbequem bleiben
Natürlich müsse die Kirche heute anders zu den Menschen sprechen als vor 500 Jahren, "das heißt aber nicht, dass sie alles über Bord werfen soll, was 2.000 Jahre lang gegolten hat. Und es heißt auch nicht, dass sie nur noch sagen soll, was die Menschen von ihr hören wollen". Gerade in einer "digital optimierten, aber seelisch oft verkümmerten Gesellschaft muss die Kirche auch unbequem bleiben, der Weg in die Harmlosigkeit wäre fatal."
Die Kirche habe Fehler gemacht, meinte der Autor: "Sie redet zu viel von Politik und zu wenig von Gott. Den Missbrauchsskandal arbeitet sie eher widerwillig auf." Das alles erkläre aber nicht, warum ihr die Menschen davonlaufen. Der tiefere Grund liegt für Haberl darin, "dass sie quer zum Zeitgeist steht". Der moderne Mensch wolle nicht an Pflichten erinnert werden, "er möchte tun und lassen, was er will". Vor allem in den urbanen Zentren werde die Kirche als reaktionär, patriarchalisch und verlogen empfunden.
Im Christentum ist alles da
Haberl: "Leider kommen nur wenige auf die Idee, dass gerade in einer modernen Gesellschaft, der gespenstische technologische Möglichkeiten zur Verfügung stehen, eine unzeitgemäße Kraft kostbar sein kann." Er habe durchaus den Eindruck, so der Journalist, "dass die Grundsehnsucht bei allen Menschen die gleiche ist: Sie suchen Halt, Orientierung und Liebe. Ich finde das alles bei Gott, aber viele setzen lieber auf Optimierungstrends aus dem Internet, die ihnen zweifelhafte Life-Coaches und Geschäftemacher andrehen.
Im Christentum sei aber alles da, was man für ein gelungenes Leben braucht, "und die Menschen sehnen sich danach, aber bitte nicht mit der Kirche als Absender", so das Resümee des Autors.
Er spüre viel Unsicherheit und Erschöpfung in der Gesellschaft. "Sie kommt mir auch unfrei vor. Ich habe nie verstanden, warum sich Menschen von Gottes Geboten gegängelt fühlen, während sie sich von fragwürdigen Tech-Propheten aus dem Silicon Valley konditionieren lassen wie eine Taube in der Skinner-Box."
Das Resümee des Journalisten: "Tatsächlich wird man erst im Glauben wirklich frei. Die Prioritäten verschieben sich. Was vorher wichtig war, zählt nicht mehr. Man wird nicht von undurchsichtigen Mächten heute hier- und morgen dorthin geschoben, sondern weiß, nach wem man sich richtet." (Buch: Tobias Haberl: Unter Heiden. Warum ich trotzdem Christ bleibe. btb-Verlag, München 2024)