Bischof Muser: Missbrauch mit Aufmerksamkeit und Zivilcourage begegnen
22.11.202413:57
Italien/Kirche/Missbrauch/Prävention
Südtiroler Diözese Bozen-Brixen nimmt bei Fachtagung systemische Ursachen von Missbrauch in der Kirche in den Fokus
Bozen, 22.11.2024 (KAP) Die katholische Kirche muss im Kampf gegen Missbrauch eine "Kultur der Aufmerksamkeit, der Zivilcourage und der Verantwortung" schaffen, um strukturelle Missstände aufzudecken und systemische Veränderungen einzuleiten. Das betonte der Südtiroler Bischof Ivo Muser am Freitag zum Abschluss einer Fachtagung der Diözese Bozen-Brixen, die strukturelle und kulturelle Ursachen von Missbrauch in den Mittelpunkt stellte.
"Missbrauch, in welcher Form auch immer, fällt nicht vom Himmel und geschieht nicht irgendwo anders, sondern wurzelt in unserer Kultur", sagte Muser laut Mitteilung des Pressediensts der Diözese und hob die Bedeutung einer offenen, selbstkritischen und dialogorientierten Haltung hervor. Die Fachtagung sei ein weiterer wichtiger Schritt im diözesanen Projekt "Mut zum Hinsehen", das auf Prävention, Teilhabe und einen offenen Dialog im Einsatz gegen Missbrauch in der Kirche setzt.
Es gehe darum, Strukturen so zu verändern, dass die Kirche ein sicherer Ort für Kinder, Jugendliche und schutzbedürftige Menschen ist, sagte Muser. Zentral sei auch die Rolle der Sprache und Haltung: "Durch klare Vorgaben und eine veränderte Sprache und Haltung wird dem Missbrauch der Nährboden entzogen", betonte der Südtiroler Bischof.
Zu den Referenten bei der Tagung zählte der deutsche Theologe Peter Beer, Professor am Zentrum für Kinderschutz der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom. "Im Kontext der Missbrauchsfälle im Verantwortungsbereich der Kirche macht eine systemische Sichtweise deutlich, dass in Sachen Aufarbeitung die bloße Konzentration auf die einzelnen Täter oder Vertuscher zu kurz greift", sagte Beer. Um Missbrauch aufzuarbeiten und zukünftige Vorfälle bestmöglich zu verhindern, sei es erforderlich, "unterschiedlichste Faktoren in den Blick zu nehmen und in differenzierter Weise zu bearbeiten".
Der Pastoraltheologe Alexander Notdurfter von der Philosophisch-Theologischen Hochschule (PTH) Brixen sprach über die soziologischen Dimensionen und die tiefgreifenden Erschütterungen, die das Bekanntwerden von Missbrauchsfällen auslöst. Er rief zu einem grundlegenden Nachdenken über Machtstrukturen und systemische Bedingungen und damit einhergehenden Veränderungen in Haltung und Struktur auf, um Vertrauen und Glaubwürdigkeit wiederherzustellen.
Die Notwendigkeit eines tiefgreifenden Wandels der Kirche betonte auch der Leiter des Seelsorgeamts der Diözese Bozen-Brixen, Reinhard Demetz. "Wir müssen die Sprachlosigkeit, die mit Missbrauch einhergeht, überwinden, aber gleichzeitig lernen, das Leid der Betroffenen auszuhalten und präsent zu bleiben - manchmal auch sprachlos, aber aufmerksam und bereit, Veränderungen zu ermöglichen", hielt er fest.