Caritas, Diakonie, Hilfswerk, Rotes Kreuz und Volkshilfe vermissen bei Regierungsverhandlungen Fokus auf Langzeitpflege - Diakonie-Direktorin Moser: Versorgungssicherheit und -qualität für ganz Österreich sicherstellen - Caritas-Generalsekretärin Parr: Föderalen Fleckerlteppich beenden
Wien, 29.11.2024 (KAP) Caritas, Diakonie, Hilfswerk, Rotes Kreuz und Volkshilfe vermissen bei den laufenden Regierungsverhandlungen einen Fokus auf die Langzeitpflege. Es bestehe dringender politischer Handlungsbedarf, waren sich die Vertreterinnen und Vertreter der in der Bundesarbeitsgemeinschaft Freie Wohlfahrt (BAG) zusammengeschlossenen Organisationen bei einer Pressekonferenz am Freitag in Wien einig. "Die Langzeitpflege ist kein politisches Randthema", so Diakonie-Direktorin Maria-Katharina Moser: "Die Sorgen der Betroffenen dürfen bei den Regierungsverhandlungen nicht unter den Tisch fallen." Es brauche Lösungen, die Versorgungssicherheit und -qualität für ganz Österreich sicherstellen. Moser: "Wir erwarten uns von einer neuen Bundesregierung einen Österreichplan für die Langzeitpflege."
Pflege und Betreuung würden schon derzeit gut 1,5 Mio. Menschen in Österreich betreffen; entweder, weil sie selbst oder weil Angehörige Pflegebedarf hätten, so Moser, die derzeit den BAG-Vorsitz innehat. Diese Zahlen würden in den kommenden Jahren noch deutlich ansteigen.
Dringend notwendig sei das Ende des föderalen "Fleckerlteppich" in Österreich, forderte Caritas-Generalsekretärin Anna Parr: "Wir haben es heute mit neun verschiedenen Pflegesystemen in Österreich zu tun. Jedes Bundesland hat andere Kosten und Selbstbehalte, Personalschlüssel, Systeme und Verwaltungen, Standards und Abläufe." Dieser "Fleckerlteppich" erschwere und verteuere die Pflege und Betreuung - für die Betroffenen und für das System. "Hier gibt es Einsparungspotenzial, hier können wir Synergien heben und Mittel freispielen", so Parr.
Verschwendung von Ressourcen
Elisabeth Anselm, Geschäftsführerin des Hilfswerks Österreich, sprach von einer Verschwendung von Ressourcen durch überbordende Bürokratie und Dokumentation, fehlende Digitalisierung und mangelnde Prävention. "Wir können uns diese Verschleuderung wertvoller Ressourcen schon lange nicht mehr leisten", kritisierte Anselm: "Wie kann es etwa sein, dass wir eine Matratze, die das Wundliegen verhindern soll, erst von der Gesundheitskasse finanziert bekommen, wenn wir Wundliegemale nachweisen können?", fragt Anselm. So entstehe unnötiges Leid und unnötiger Aufwand samt Kosten.
Eine weitere Forderung Anselms: "Pflegedienste, egal ob Pflegeheime oder die Hauskrankenpflege, müssen in ELGA eingebunden werden." Aktuell verliere man zu viel Zeit mit Datenrecherche. Fehlende Daten würden zudem die Sicherheit pflegebedürftiger Menschen gefährden, "die oft zwischen Gesundheitssystem und Pflegewesen hin und her pendeln".
Pflegende Angehörige entlasten
Gerry Foitik vom Roten Kreuz nahm die pflegenden Angehörigen in den Blick: "Eine Million Menschen in Österreich sind pflegende Angehörige, sie sind der größte Pflegedienst des Landes. Sie sind nicht nur durch die Pflegearbeit belastet, sondern müssen auch hohe Kosten tragen." Hier brauche es ausreichend Unterstützung, sonst drohe das Abrutschen in die Armut, warnte der Vertreter des Roten Kreuzes.
Foitik forderte eine Reform des Pflegegelds ein, "damit Pflege zu Hause leistbar bleibt". Außerdem seien ausreichende Unterstützungsleistungen in der mobilen Pflege, sowie digitale Angebote nötig, um pflegende Angehörige zu entlasten. Mittel in diesen Bereichen richtig einzusetzen, bedeutet letztlich auch für die öffentliche Hand eine finanzielle Erleichterung, "da für mobile Pflege nur ein Bruchteil der Kosten von stationärer Pflege anfällt", betonte Foitik.
Pflegepersonal im Fokus
Ein Schlüsselfaktor für eine zukunftsfitte Langzeitpflege sei ein umfassender Maßnahmen-Mix im Bereich des Personals, so Erich Fenninger, Direktor der Volkshilfe Österreich. Als notwendig nannte er Erleichterungen bei den Ausbildungskosten, Zugang zur Schwerarbeitspension, die Anerkennung der Ausbildungszeiten für die Pension und Maßnahmen im Bereich der Gehälter. Zugleich mahnte Fenninger die Einführung einer Bundesagentur für die gezielte Anwerbung ausländischer Pflegepersonen ein, denn: "Ohne zusätzliche Kräfte wird es nicht gehen."
Investitionen in Pflege lohnen sich
Diakonie-Direktorin Moser wies in ihren Ausführungen u.a. darauf hin, dass sich Investitionen in die Pflege wirtschaftlich lohnen. "Jeder Euro, der in die Langzeitpflege investiert wird, hat eine Wertschöpfung von 1,7 Euro". Und gute Angebote in der Langzeitpflege würden helfen, im Gesundheitssystem zu sparen. Je schlechter die Langzeitpflege "aufgestellt" sei , desto öfter müssten Menschen ins Krankenhaus, warnte Moser: "Und das ist der teuerste Ort, an dem ein Mensch mit Pflegebedarf sein kann."
Langzeitpflege sei - zusammen mit anderen sozialen Dienstleistungen - ein wichtiger Wirtschaftsmotor. "Langzeitpflege kann und muss Teil eines Konjunkturpakets sein. In die Langzeitpflege investieren heißt, in einen Konjunkturmotor investieren und Arbeitsplätze sichern", so Moser.
Die BAG (Bundesarbeitsgemeinschaft Freie Wohlfahrt) ist der größte Zusammenschluss von Langzeitpflege-Anbietern in Österreich. Im BAG-Verbund sind rund 22.500 Menschen in Pflege und Betreuung beschäftigt. Sie pflegen, begleiten und betreuen 155.000 Menschen mit Pflegebedarf in mobilen, stationären und sonstigen Betreuungsformen. In der mobilen Pflege übernehmen die BAG-Organisationen zwei Drittel aller geleisteten Stunden.