Unterhaus-Abgeordnete votierten mehrheitlich für Gesetzentwurf zur Regelung des assistierten Suizids
London, 29.11.2024 (KAP) Die Abgeordneten des britischen Unterhauses haben für eine Legalisierung der Beihilfe zum Suizid votiert. Der nach einer mehrstündigen Parlamentsdebatte am Freitag mit 330 zu 275 Stimmen befürwortete Gesetzentwurf der Labour-Abgeordneten Kim Leadbeater sieht vor, dass unheilbar Kranke in England und Wales unter strengen Bedingungen in den Suizid begleitet werden dürfen. Bisher gilt Suizidbeihilfe in Großbritannien als Straftat, die mit bis zu 14 Jahren Haft bestraft werden kann.
Mit der für die Befürworter einer neuen Suizid-Beihilfe-Regelung erfolgreichen Abstimmung ist nur eine von mehreren Hürde im parlamentarischen Verfahren genommen. Bis zu einem Inkrafttreten des neuen Gesetzes sind weitere Abstimmungen und Beratungen, bei denen Änderungsanträge eingebracht werden können. Auch das Oberhaus (House of Lords) muss zustimmen.
Als erster Schritt wird die Abgeordnete Leadbeater einen Parlaments-Ausschuss - ein sogenanntes "bill committee" - einsetzen, um alle Bestimmungen des Gesetzes zu prüfen und auch etwaige Änderungen zu diskutieren. Im Vorfelder des Votums vom Freitag hatte sie angekündigt, auch Gegner des Gesetzes in den Ausschuss aufnehmen zu wollen. Mit einer neuerlichen Parlamentsabstimmung ist erst in einigen Monaten zu rechnen.
Fraktionszwang aufgehoben
Die Debatte über den Entwurf hatte in den vergangenen Wochen die Schlagzeilen in Großbritannien beherrscht. Sowohl die Labour-Regierung als auch die konservative Opposition hoben den Fraktionszwang auf, was das Resultat der Unterhaus-Abstimmung schwer vorhersehbar machte.
Labour-Premier Keir Starmer votierte nach BBC-Angaben für die Ermöglichung von Beihilfe zum Suizid. Er hat schon im Wahlkampf angekündigt, diese legalisieren zu wollen. Andere Regierungsmitglieder, darunter Bildungsministerin Bridget Phillipson, Justizministerin Shabana Mahmood und auch Gesundheitsminister Wes Streeting, sprachen sich zuletzt gegen den Gesetzentwurf aus.
Die nun befürwortete Regelung würde die Mitwirkung an Selbsttötungen von unheilbar kranken Menschen erlauben, die laut ärztlicher Ansicht maximal sechs Monate zu leben haben. Der Entwurf verlangt, dass ein Richter und zwei Ärzte den gesetzeskonformen Wunsch eines Patienten nach Suizid bestätigen müssen; auch bevollmächtigte Dritte dürften stellvertretend für Patienten den Antrag stellen.
Kritik von Religionsspitzen
Kritik an dem Vorhaben kam nicht zuletzt aus den Reihen der Kirchen und Religionsgemeinschaften. Erst vor wenigen Tagen bekräftigten rund 30 führende Vertreter der Kirchen und Religionsgemeinschaften ihre Warnungen vor einer Freigabe der Suizidbeihilfe. Ein Recht auf Sterben könne "allzu leicht" dazu führen, dass schutzbedürftige Menschen das Gefühl haben, sie hätten "die Pflicht zu sterben", hieß es in einem offenen Brief. Die Unterzeichner, unter ihnen der katholische Erzbischof von Westminster, Kardinal Vincent Nichols, Oberrabbiner Ephraim Mirvis, die anglikanische Londoner Bischöfin Sarah Mullally und Vertreter von Sikhs, Hindus und Muslimen, forderten darin unter anderem eine bessere Palliativmedizin und Hospizversorgung statt Sterbehilfe.