Zulehner: Glaube ist Gegenkraft zu weit verbreiteter Angst
03.12.202410:30
Österreich/Kirche/Glaube/Reformen/Zulehner
Wiener Pastoraltheologe plädiert in Klagenfurt einmal mehr für Kirche, die von den Getauften her, die ihre Taufberufung angenommen haben, gedacht und gelebt wird
Klagenfurt, 03.12.2024 (KAP) Für eine "Kultur des Vertrauens", in der der Glaube eine Gegenkraft gegen die sich ausbreitende Angst in der Gesellschaft darstellt, hat der Wiener Pastoraltheologe Prof. Paul Zulehner plädiert. Er referierte dieser Tage im Klagenfurter Diözesanhaus über seine Vorstellungen von Kirchenreformen, nahm die aktuellen Reformprozesse in den österreichischen Diözesen in den Blick und redete einer "neuen Ehrenamtskultur" das Wort. Die Diözese Gurk-Klagenfurt berichtete über den Abend mit Zulehner am Dienstag auf ihrer Website.
Bei seiner Analyse der Kirchenentwicklungsprozesse in den Diözesen stützte sich Zulehner auf Online-Umfragen. Von entscheidender Bedeutung bei der Bewertung von kirchlichen Strukturreformen sind dabei laut dem Pastoraltheologen u.a. die latenten Kirchenbilder der Befragten. Und da stehe dem Kirchenbild des Ersten Vatikanums (Priesterkirche) die sogenannte Taufberufungskirche des Zweiten Vatikanums gegenüber. In der Priesterkirche werde die Pfarrgemeinde vom Priester her gedacht, in der Taufberufungskirche vom Volk Gottes her, von den Getauften, die ihre Taufberufung angenommen haben, erläuterte Zulehner.
Dienstleistungs- und Servicekirche
Ein weiteres Bild von Kirche neben den Vatikanischen Kirchenbildern sei die Dienstleistungs- und Servicekirche. In Form einer modernisierten Priesterkirche zeigt sie sich als eine sog. "Expertenkirche". Dienstleistung in einer Taufberufungskirche werde konkret in sozialen Diensten, die die Gemeinschaft der Getauften leistet.
Die Amtskultur in diesen unterschiedlichen Konzeptionen von Kirche sei jedenfalls höchst unterschiedlich: Die Priester- bzw. Expertenkirche werde von Hauptamtlichen "betrieben", während die Taufberufungskirche vom Engagement vieler Ehrenamtlicher lebe.
Da die vorgestellten Kirchenbilder gleichzeitig präsent sind, komme es zu vielen Polarisierungen in den Gemeinden. Die von Zulehner vorgestellten Studien zeigen demnach, dass Vertreter der Priesterkirche gegenüber Strukturreformen weitaus resistenter seien als Christen, die sich für eine Taufberufungskirche einsetzen. So könnten Strukturreformen den Übergang zu einer zukunftsfähigeren Taufberufungskirche beschleunigen, meinte der Theologe.
Eindringlich sprach sich Zulehner auch für eine "neue Ehrenamtskultur" aus. Wobei auch ehrenamtliche pastorale Tätigkeit "professionell" geschehen solle. Und dafür sei die Unterstützung durch hauptamtliche kirchliche Mitarbeiter notwendig, sagte Zulehner, um schließlich noch auf die "Raumgerechtigkeit" von Strukturreformen zu sprechen zu kommen. Seine Faustregel diesbezüglich: "Je mehr regional, desto mehr lokal." Regional werde in Projekten gearbeitet, auch unter Einbeziehung von Hauptamtlichen; lokal hingegen finde das Leben von Gemeinschaften des Evangeliums statt.
Junge Menschen wollen Antworten
Junge Menschen haben Fragen, und sie wollen Antworten haben, "die nicht aufgesetzt wirken", betonte die Leiterin der Abteilung JungeKirche der Diözese Gurk, Irina Kolland, bei der anschließenden Podiumsdiskussion. Zulehner stimmte dem zu und ergänzte, dass es jungen Menschen bei ihrem ehrenamtlichen Engagement vor allem um verstärkte Partizipation gehe.
Die Direktorin des Bischöflichen Seelsorgeamtes, Elisabeth Schneider-Brandauer, umschrieb den Status Quo des Kärntner Kirchenentwicklungsprozesses mit "mittendrin und auf dem Weg". Es gebe Orte und Ereignisse, die Mut machen, zeigte sie sich optimistisch.
Der Villacher Stadtpfarrer Richard Pirker erzählte von den Spannungen zwischen den verschiedenen Kirchenbildern, die auch auf seine Gemeinden zuträfen. Was kirchliche Entwicklungsprozesse betrifft, wünsche er sich vor allem Transparenz.
Zur Veranstaltung mit Zulehner hatten der Katholische Akademikerverband Kärnten, das Bischöfliche Seelsorgeamt und das Referat für Priester in der Diözese Gurk eingeladen. Der Einladung war unter anderem auch Bischof Josef Marketz gefolgt.