Caritas-Direktorin Mkhoyan: Menschen nach Aufschub der EU-Beitrittsverhandlungen durch pro-russische Regierung "unter Schock und in Panik"
Tiflis/Rom, 03.12.2024 (KAP) Nach dem Aufschub der EU-Beitrittsverhandlungen durch die nach einer Kehrtwende pro-russische Regierung von Georgien befindet sich der Kaukasusstaat aus Sicht der Direktorin von Caritas Georgien, Anahit Mkhoyan, inmitten einer Zerreißprobe. "Alle stehen unter Schock und sind in Panik", schilderte Mkhoyan laut "Vatican News" und "Ucanews" (Dienstag) in einem aktuellen Interview. "Die Menschen wissen nicht mehr, wie sie ihr Leben in Georgien organisieren können. Sie wissen nicht, ob sie noch in Georgien leben wollen", sagte Mkhoyan demnach im Gespräch mit dem Online-Portal "OSV News".
Zehntausende gingen in den vergangenen Tagen bei nächtlichen Protesten in georgischen Städten auf die Straße. Damit reagierten sie auf eine Rede von Regierungschef Irakli Kobachidse am 28. November. Dieser hatte angekündigt, dass das Land seine Gespräche über einen EU-Beitritt bis Ende 2028 aussetzen werde, da es von einigen Politikern der Union "erpresst und manipuliert" werde.
Kobachidse und seine Partei "Georgischer Traum" werden sowohl von Bürgern als auch von außenstehenden Beobachtern beschuldigt, das Land auf einen Moskau-freundlichen Weg zu bringen. Die EU und die USA fordern eine Untersuchung der georgischen Parlamentswahlen vom Oktober, bei denen Kobachidse und seine Partei trotz zahlreicher Berichte über Einschüchterung der Wähler und Wahlmanipulationen einen erdrutschartigen Sieg errungen haben sollen.
Kobachidses Agieren werde von der Bevölkerung als "völliger Stillstand" des Landes auf seinem Weg in die EU empfunden, berichtete Caritas-Direktorin Mkhoyan. Schätzungsweise 80 Prozent der Georgier befürworten die EU-Mitgliedschaft, und in der Verfassung des Landes ist das Ziel einer "vollständigen Integration" sowohl in die EU als auch in die NATO festgeschrieben.
Auch Caritas-Mitarbeiter involviert
Mkhoyan sagte, sie fürchte um ihre Mitarbeiter. Diese nähmen an den nächtlichen Protesten teil, "weil es ihr politischer Wille ist". Während einer "ziemlich gewalttätigen" Demonstration, so Mkhoyan, habe sie das Gefühl gehabt, "dass mein Herz für eine Minute stehen blieb". Einige Mitglieder ihres Teams hätten das Land aufgrund der Hinwendung der derzeitigen Regierung zu Russland verlassen. "Ich verliere Mitarbeiter, die sich entschieden haben, nicht in Georgien zu leben", so die Caritas-Direktorin.
Die derzeitige Lage bringe "viele unklare Situationen mit unseren Partnern mit sich", so die Leiterin der katholischen Hilfsorganisation gegenüber "OSV News". Hinzu kämen die Auswirkungen des georgischen Gesetzes vom Mai zur "Transparenz ausländischer Einflussnahme". Es sieht vor, dass Organisationen, NGOs und Medien, die mehr als 20 Prozent ihrer Mittel aus dem Ausland erhalten, sich bei der georgischen Regierung als "Agenten ausländischer Einflussnahme" registrieren lassen müssen.
Mkhoyan fürchtet, dass die Maßnahme "das Erbringen von Dienstleistungen für die Empfänger, die sie am dringendsten benötigen, gefährden könnte". Die 1994 gegründete Caritas Georgien sei der größte Anbieter sozialer Dienste in Georgien. Sie wisse nicht, "wie es mit der Spendensammlung weitergehen wird".
"Wir wissen nicht, was wir von dieser ganzen Sache erwarten können", erklärte Mkhoyan weiter. "Wir leisten weiter unsere tägliche Arbeit, aber alle unsere Planungsbemühungen kommen zum Stillstand, weil wir nicht wissen, wie wir planen sollen." Die Georgier kämpften "für ihre Rechte"; leider verhielten sich die westlichen Staaten gegenüber der Lage in Georgien "passiv". "Sie verstehen nicht, was hier passiert. Georgien braucht wirklich Unterstützung vonseiten des Westens... Das Schlimmste ist, dass wir das Gefühl haben, dass sich niemand darum kümmert."
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