Wiener Priester und Theologe Moga in Sorge angesichts eines starken politischen Rechtsrucks in Rumänien und auch unter Westeuropas Rumänen - Orthodoxe Kirche muss sich zu Wort melden und "Alarmsignale" ernst nehmen
Wien, 03.12.2024 (KAP) Antisemitismus und Rechtsextremismus sind mit der Orthodoxie unvereinbar. Das hat der Wiener rumänisch-orthodoxe Theologe und Pfarrer Ioan Moga in einer Kathpress vorliegenden Stellungnahme betont. Er äußerte sich anlässlich der Ergebnisse der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen (24. November) und der Parlamentswahlen am 1. Dezember in Rumänien. Die Ergebnisse zeigten, dass die rumänische Gesellschaft nach rechts driftet. Damit liege Rumänien leider im europäischen Trend, so Moga.
Am meisten ausgeprägt sei der "religiös angehauchte Diskurs" bei den rumänischen ultrarechten Parteien und Kandidaten des Landes. Dabei sei jedoch die rumänische Gesellschaft allgemein sehr religiös im europäischen Vergleich - in zwar unterschiedlichen Formen, aber mehrheitlich an religiösen Denk- und Praxismuster des orthodoxen Glaubens orientiert, so Moga: "Dass Politiker vor den Wahlen große kirchliche Feste aufsuchten und sich beim Ikonen- oder Reliquienverehren fotografieren ließen, war eine Konstante der letzten 30 Jahre. In den letzten Jahren haben jedoch fast alle Parteien - unabhängig vom politischen Spektrum - den religiösen Patriotismus für sich entdeckt."
Dass diese parteipolitische Instrumentalisierung von Religiosität und christlichen Werte-Diskursen "dem christlichen Zeugnis mehr schadet als nützt, sollte jedem klar sein, der eine gewisse Ahnung von christlicher Sozialethik hat".
Wenn ultrarechte Kandidaten in ihren Diskursen eine "Mischung aus esoterischen, patriotischen und mystischen Inhalten" anbieten, habe das wenig mit der Tradition der Orthodoxen Kirche zu tun. Moga: "Dieser messianisch-synkretistische Cocktail, in dem bei jedem Satz Gott und seine Führung erwähnt werden und das Partei-Establishment kritisiert wird, bietet eine falsche Attraktivität für Menschen, die der Politik und Korruption überdrüssig sind."
Wenn die Politik einen derartigen religiös-synkretistischen und ultranationalistischen Diskurs vorantreibt, sollten Kirchen aufhorchen, mahnte Moga. Denn: "Die Kirche braucht keine Erretter. Sie hat schon einen. Und christliche Werte gedeihen in sonniger, glaubender Freiheit, nicht im ideologischen Schatten."
Der Geistliche weist darauf hin, dass die Rumänische Orthodoxe Kirche ihre Kleriker zur politischen Neutralität verpflichtet. Zugleich sei es klar, dass auch innerhalb des orthodoxen Klerus - wie auch in den weiteren Glaubensgemeinschaften Rumäniens - Sympathien unterschiedlicher Richtung vorhanden sind. Die entscheidende Frage sei jedoch, "ob man vor antisemitischen, rechtsextremen Diskursen neutral und schweigsam sein kann". Und die Antwort Mogas ist eindeutig: "Nein. Antisemitismus ist mit der Orthodoxie unvereinbar. Theologisch und historisch unvereinbar. Und das sollte immer wieder angemahnt und erklärt werden."
Ebenso sei religiöser Nationalismus - auf dem orthodoxen Konzil von Kreta 2016 als Häresie des Ethno-Philetismus verurteilt - ein "No-Go". Moga: "Es geht hierbei nicht um parteipolitisches Pro und Contra, sondern um theologische Sozialethik und um die biblisch-patristische Selbstverpflichtung zum Unterscheiden der Geister."
Dass in Westeuropa lebende rumänische Bürgerinnen und Bürger - wie die Ergebnisse der Parlamentswahlen zeigen - stärker für ultra-nationalistische Parteien abstimmten als Rumänen in Rumänien selbst (über 50 Prozent in der Diaspora, 30 Prozent in Rumänien), sollte für die sie pastoral betreuenden Kirchen- und Glaubensgemeinschaften ein "großes Alarmsignal" sein, warnte der Pfarrer. Neben der Orthodoxen Kirche betreffe das etwa auch Freikirchen.
Moga: "Sind das die Nachwehen einer folkloristischen Heimatnostalgie, die für die erste Generation tendenziell typisch sind? Oder die Schwierigkeit, die universelle und damit auch europäische Dimension des Christentums zu artikulieren? Oder die Angst, dass man im 'dekadenten Westen' unterzugehen droht und deshalb die Flucht in die utopische Dorfvergangenheit des 19. Jahrhunderts sucht?" - Auf jeden Fall dürfe dieses Alarmsignal nicht ungehört bleiben.
Der Theologe plädiert dringend für mehr Bildung: "Es braucht mehr denn je eine Bildungsoffensive, die die christliche Identität dialogisch - und nicht isolationistisch - kundtut. Es ist nicht zu spät." Vor allem für die rumänisch-orthodoxen Christen in der Diaspora gebe es keine Alternative zu Bildung und Dialog, zeigte sich Moga überzeugt. Nachsatz: "Rumänien ist ein europäisches, offenes Land und daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern. Die Frage der Stunde ist nur, ob die jetzige Generation eine schwere Krise mit unvorhersehbaren Folgen nötig hat, um diese unumkehrbare Richtung einzusehen. Ich hoffe nicht."