Deutscher Claudius-Experte Katthage entkräftet Argument, wonach der Adventkranz schon vor seiner Erfindung durch den deutschen evangelischen Theologen und Erzieher Johann Hinrich Wichern im Jahr 1839 bekannt war
Wien, 03.12.2024 (KAP) Gemeinhin wird die Einführung des Adventkranzes dem evangelisch-lutherischen Theologen und Erzieher Johann Hinrich Wichern (1808-1881) zugeschrieben. Er hat erstmals im Jahr 1839 im "Rauhen Haus" in Hamburg ein Wagenrad aus Holz mit 23 Kerzen - vier große weiße Kerzen und 19 kleine rote - bestückt. Der Tiroler Heimatforscher Martin Reiter hielt dem dieser Tage in einer Aussendung, über die auch Kathpress berichtete, entgegen, dass der Adventkranz viel älter sein müsse als bisher angenommen. Sein Argument: Der Dichter Matthias Claudius (1740-1815) habe bereits in seinem Gedicht "Lied im Advent" einen Adventkranz beschrieben. Das ist aber laut dem deutschen Hermann-Claudius-Experten Gerd Katthage falsch, da das Gedicht nicht von Matthias Claudius stammt und viel jünger ist.
Wie Katthage gegenüber Kathpress erläuterte, handle es sich um eine häufig auftretende Verwechselung. Besagtes Gedicht stamme nicht von Matthias Claudius, sondern von dessen Urenkel Hermann Claudius (1878-1980). Das Gedicht "Lied im Advent" erschien demnach erstmals im Badener Tageblatt am 4. Dezember 1948. In gebundener Form wurde es erstmals 1998 im Hermann Claudius-Gedichtband "Ihr habt mein Lied gesungen" mit Nachlass-Gedichten veröffentlicht. Leicht zugänglich sei es auch in der von Katthage herausgegebenen Gesamtedition: "Hermann Claudius: Gedichte und Lieder", die aktuell erschienen ist.
Der Adventkranz hat seinen Ursprung in der evangelischen Kirche. Der evangelische Theologe und Pädagoge Johann Hinrich Wichern (1808-1881) sah die Not der Arbeiterfamilien und vor allem der verwahrlosten Kinder in den Vorstädten Hamburgs. Er sammelte Spenden bei wohlhabenden Bürgern und gründete eine "Rettungsanstalt" für jene Kinder, die zerlumpt und hungrig auf dem besten Weg waren, eine kriminelle Laufbahn einzuschlagen. Im sogenannten "Rauhen Haus", einem kleinen Bauernhaus, das für diesen Zweck gestiftet worden war, zog Wichern 1833 mit seiner Mutter und den ersten zwölf Burschen ein. Die Einrichtung wuchs schnell und erhielt weitere Gebäude mit mehreren Kindergruppen. Ende 1835 zog die erste Mädchengruppe in das "Rauhe Haus" ein.
Im Jahr 1839 hatte Wichern die Idee zum ersten Adventkranz. Da die Kinder im Advent ständig fragten, wie lange es denn noch bis Weihnachten sei, stellte Wichern bei den abendlichen Versammlungen ein großes Wagenrad auf und bestückte es mit Kerzen. Jeden Abend entzündete er beim Geschichtenerzählen eine weitere Kerze.
Im Laufe der Zeit gab es für Adventsonntage vier dickere Kerzen und das Rad wurde mit Tannenreisig geschmückt. Im Laufe der Zeit übernahmen Pfarrgemeinden und Familien diesen Brauch. So soll sich der Adventkranz zu der uns heute bekannten Form entwickelt haben. Erst ab den 1920/30er-Jahren begann sich der Adventkranz auch in der katholischen Kirche durchzusetzen. In Österreich hielt er erst nach dem Zweiten Weltkrieg flächendeckend Einzug.