Synodaler Prozess mit Abschluss ohne Ende, ein zäher Papst auf seiner bislang längsten Auslandsreise und ein Kardinal, der weiterhin ein Brückenbauer bleiben will - Ein kursorischer Jahresrückblick von Kathpress-Chefredakteur Paul Wuthe
Wien, 12.12.2024 (KAP) Noch immer kein Ende im Krieg Russlands gegen die Ukraine, noch immer Terror und Krieg im Heiligen Land und zuletzt das überraschend schnelle Ende der Assad-Tyrannei in Syrien mit einem Mix aus Hoffnung und Angst im Blick auf die Zukunft eines ausgebluteten Landes: Die Krisen, Konflikte und Kriege der Welt waren auch für die katholische Kirche 2024 dominierende Themen. Im Super-Wahljahr stand zudem weltweit die Demokratie als politisches Leitmodell auf dem Prüfstand. Das Erstarken populistisch-autokratischer Kräfte, immer neue technologische Herausforderungen - Stichwort KI - und die Klimakrise mit dem heuer wohl heißesten Jahr, seit es Aufzeichnungen gibt, befeuern bei vielen das Gefühl, in einer "taumelnden Welt" zu leben und sind zugleich ein Auftrag an Kirche und Gläubige.
Ein Blick auf die zahlreichen Aktivitäten und Wortmeldungen von Papst Franziskus im zu Ende gehenden Jahr zeigt einmal mehr, dass der Pontifex diesem Anspruch gerecht werden will - besonders im Einsatz für Frieden. Nicht jede Formulierung scheint dem "Papst der Überraschungen" aber dabei zu glücken: So empfahl er der Ukraine im März, Mut zur weißen Fahne zu haben, also zu verhandeln. Franziskus' Intention, einen Verhandlungsfrieden anzustreben, ging unter in der Empörung über die von vielen als Kapitulationsforderung verstandene Aussage. Fast unmöglich scheint es auch für den Papst zu sein, die richtigen Worte für Krieg und Terror im Heiligen Land zu finden. Was für die einen zu wenig ist, ist für andere bereits eine schwere Belastungsprobe für das christlich-jüdische Verhältnis, wenn nicht noch mehr.
Kräftige innerkirchliche Turbulenzen löste gleich rund um den Jahreswechsel die römische Erklärung "Fiducia supplicans" aus, die erstmals auch eine katholische Segnung homosexueller Paare erlaubt. Sie ging vielen Kirchenmännern zu weit und sorgte wochenlang für Proteste. Die vatikanische Glaubensbehörde reagierte zunächst mit einer Erklärung und praktischen Hinweisen. Schließlich entband man die sich hartnäckig verweigernden afrikanischen Bischöfe von jedwedem Umsetzungszwang - mit päpstlichem Segen.
Synodaler Prozess
Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund ist im Oktober der weltweite Synodale Prozess in der Kirche zu einem Abschluss ohne Ende gekommen. Insgesamt schloss der mehrjährige Prozess - für viele das wichtigste Projekt des Pontifikats von Franziskus - harmonisch und mit einem Abschlusspapier, das sich der Papst umgehend zu eigen machte und zur Umsetzung freigab. Die darin enthaltenen Vorschläge zu mehr Mitwirkungsmöglichkeiten der Gläubigen sowie kirchlicher Transparenz und Rechenschaftspflicht verbunden mit einer neuen Kultur des geistlichen Hörens, Unterscheidens und Entscheidens warten nun auf ihre Umsetzung - auch in Österreich. Mit der Methode des geistlichen Gesprächs und dem Bild der runden Tische, an denen der Papst bei der Synodenversammlung auf gleicher Augenhöhe mit allen anderen Stimmberechtigten - egal ab Mann oder Frau, Kleriker oder Laie - saß, hat Franziskus jedenfalls einen neuen Standard für kirchliche Versammlungen geschaffen.
Die Forderung nach mehr Anerkennung und Teilhabe von Frauen in der Kirche durchzog auch die letzte Versammlung der Weltsynode im Vatikan, obwohl sie offiziell nicht auf der Agenda stand. Die Frage des Zugangs von Frauen zum diakonischen Amt "bleibt offen", wird im umstrittensten Passus des Schlussdokuments festgestellt. Was aus diesem "Vielleicht" noch werden kann, bleibt ein Thema für 2025, wo eine eigens dafür eingesetzte Arbeitsgruppe im Vatikan ihre Ergebnisse vorlegen soll.
Zäh und entschlossen
Aufmerksam verfolgt wurde und wird der Gesundheitszustand des bald 88-jährigen Kirchenoberhaupts. Neben anhaltenden Knieproblemen und Darmoperationen waren es in den ersten Monaten des Jahres vor allem Atemwegserkrankungen, die dem Papst zu schaffen machten. Seine Gegner nutzen jeden Moment der Schwäche, um ihm einen Mangel an Regierungsfähigkeit oder Schlimmeres zu unterstellen.
Doch Franziskus ist zäh und entschlossen. Den Beweis dafür lieferte er mit der längsten Reise seiner nun schon über elfjährigen Amtszeit: Zwölf Tage lang besuchte er im September Indonesien, Papua-Neuguinea, Osttimor und Singapur und legte dabei knapp 33.000 Kilometer zurück. Seine Reise war definitiv ein Erfolg. Bis zum letzten Termin blieb Franziskus kraftvoll. In Indonesien unterzeichnete der Papst mit dem Großimam des bevölkerungsreichsten muslimischen Landes der Welt einen Aufruf der Religionen für Frieden und Naturschutz. Und wenige Tage danach feierte Franziskus in Osttimor eine Freiluft-Messe der Superlative mit rund 600.000 Gläubigen.
Eine Premiere fand im Juni statt: Erstmals nahm mit Franziskus ein Papst an einem G7-Gipfel teil. Vor den im süditalienischen Borgo Egnazia versammelten Staats- und Regierungschefs hielt er eine Rede zum Thema Künstliche Intelligenz. Diesem Thema war schon die Papst-Botschaft im Jänner zum Welttag der Sozialen Kommunikationsmittel gewidmet, in der Franziskus klare Regeln und ethischen Maßstäben einforderte und zugleich eine Lanze für den Journalismus brach.
Verfügungen und Heiliges Jahr
Für Aufsehen sorgte der Wunsch von Franziskus, später einmal nicht im Petersdom, sondern in Santa Maria Maggiore und schlichter als seine Vorgänger im Papstamt begraben zu werden. Die Vorschriften für die Begräbnisfeierlichkeiten wurden entsprechend angepasst. Für eine Wahl eines neuen Papstes würden seit dem 7. Dezember wieder mehr Männer zur Verfügung stehen, nachdem Franziskus das Kardinalskollegium um 21 Geistliche erweitert hat.
Für Eventualität ist damit gesorgt, zugleich bleibt der Terminkalender des Kirchenoberhaupts gefüllt: Am Heiligen Abend eröffnet Franziskus das größte katholische Pilgerereignis in Rom. Rund 30 Millionen Besucher werden zum Heiligen Jahr erwartet, mit zahlreichen Einzelevents im Beisein des Papstes. Weiters im Plan für 2025: eine Reise in die Türkei anlässlich des 1.700-Jahr-Jubiläums des Konzils von Nizäa.
Kirche in Österreich
Zurück zur Kirche in Österreich, wo die Lage im nüchternen Blick auf die Zahlen schon besser war: So zeigte die im September veröffentlichte Kirchenstatistik für 2023 zwar einen leichten Rückgang bei den Kirchenaustritten, die aber mit mehr als 85.000 nach wie vor sehr hoch liegen. Neu ist, dass Katholiken ab 2025 in allen Diözesen die Hälfte ihres Kirchenbeitrags zweckwidmen können. Dass die Summe der Beiträge zuletzt inflationsbereinigt leicht im Sinken war, bildet den Hintergrund für vermehrte Einsparungen in den Diözesen.
Dass die Institution Kirche es nicht leicht hat, zeigt auch der jährlich erhobene Vertrauensindex. Zwar konnte die katholische Kirche bei den Österreichern zuletzt wieder ein wenig an Vertrauen gewinnen, es reichte aber nur für den vorletzten Platz unter den abgefragten Institutionen. Deutlich anders ist das Bild, wenn man nach Personen fragt: Da erreichte Kardinal Christoph Schönborn bei einer "market"-Umfrage einen Spitzenplatz neben der Rechnungshofpräsidentin, den Landeshauptleuten und dem Bundespräsidenten.
Seit 1995 an der Spitze der Erzdiözese Wien ist der Kardinal kürzlich auch noch Ehrenbürger der Bundeshauptstadt geworden. Als Laudator fungierte der frühere Bundespräsident und SPÖ-Spitzenpolitiker Heinz Fischer, der etliche Parallelen im Wirken Schönborns zum bis dahin einzigen bischöflichen Ehrenbürger Wiens, Kardinal Franz König, zog.
Und wie sieht Kardinal Schönborn sich selbst jetzt und in Zukunft? Darüber gab der Wiener Erzbischof kürzlich bei seiner vermutlich letzten "ORF-Pressestunde" vor der rund um seinen 80. Geburtstag am 22. Jänner erwarteten Emeritierung wie folgt Auskunft: Er wolle ein "Brückenbauer" sein und bleiben, "so wie Papst Franziskus". Es bleibt zu hoffen, dass es noch viele andere gibt, die es dem Kardinal gleich tun - "mit Sachverstand" und zugleich "unverhandelbaren Grundwerten", wie er im Interview an anderer Stelle sagte.