Wiener Erzbischof in Pressegespräch: Neuer Kardinal aus Österreich derzeit eher unwahrscheinlich
Wien, 17.12.2024 (KAP) Dass Papst Franziskus den nächsten Wiener Erzbischof wieder zu Kardinal ernennt, ist laut Kardinal Christoph Schönborn alles andere als eine ausgemachte Sache. Zur Journalistenfrage, ob ein neuer Kardinal aus Österreich nicht wünschenswert sei, meinte Schönborn am Montag bei einem Pressegespräch in Wien wörtlich: "Da müssen Sie den Papst fragen. Also, wenn nicht der Erzbischof von Paris Kardinal geworden ist, sondern der Bischof von Ajaccio in Korsika, dann verschieben sich ein wenig die Gewichtungen." Die traditionellen Kardinalssitze in Europa gebe es in der Form nicht mehr.
Der Papst habe in den letzten Jahren systematisch in fast jedem Land in Asien einen Kardinal ernannt, sogar in der Mongolei, wo es nur 1.600 Katholiken gibt. Franziskus komme aus Lateinamerika "und ich vermute, seine Einschätzung des Gewichts der Kirche in Europa ist vermutlich ein bisschen anders, als wir es erwarten würden", sagte Schönborn, der einen künftigen Kardinal für Wien dennoch nicht ausschloss: "Vielleicht wird es ja in Österreich eine sehr charismatische oder faszinierende Gestalt geben, die den Papst bewegt, dass er sie zum Kardinal ernennt."
Schönborn fügte hinzu, dass er bei den Kardinalsernennungen "überhaupt nichts mitzureden" habe. "Das einzige und letzte Mal, als ich einem Papst gesagt habe, es sei doch wichtig, dass der und der Kardinal werde, da ging es um ein Land der sogenannten Dritten Welt. Und der ist auch Kardinal geworden, aber vermutlich nicht wegen meiner Intervention, sondern weil es einfach wichtig war."
Die Kardinalsernennungen von Papst Franziskus könne man durchaus als eine Art Programm sehen: "Er geht, wie er selber gesagt hat, an die Peripherien, und das Kardinalskollegium hat sich in diesen elf Jahren, seit er Papst ist, massiv verändert. Der Wiener Erzbischof verwies darauf, dass Europa in naher Zukunft nur mehr 4 Prozent der Weltbevölkerung ausmachen wird. Der Anteil der europäischen Kardinäle sei zugleich immer noch sehr hoch im Vergleich zur Weltkirche mit ihren 1,2 oder 1,3 Milliarden Katholiken.
Schönborn und die Päpste
Auf seine guten Beziehungen zu den Päpsten angesprochen, ging Schönborn zuerst auf Johannes Paul II. ein: "Er hat mich zum Bischof und zum Kardinal ernannt. Ich hatte vor allem mit ihm zu tun, als ich Redaktionssekretär des Katechismus war. Da gab es viele Begegnungen."
Inniger war das Verhältnis zu Papst Benedikt XVI.: "Ich war sein Student. In Regensburg, als er noch Professor war. Ich bin seit damals mit ihm durch den Schülerkreis in Verbindung geblieben. Und als er Präfekt der Glaubenskongregation war, hatte ich sehr viel mit ihm zu tun, weil ich in der Internationalen Theologenkommission war, die er geleitet hat. Und dann natürlich die Jahre der Zusammenarbeit über den Katechismus. Daraus ist auch eine persönliche Freundschaft geworden; die hatte ich in diesem Sinne nicht mit Johannes Paul II."
Papst Franziskus habe er bereits in Buenos Aires kennengelernt, als dieser dort noch Weihbischof war, "und zwar bei der mir sehr lieben Gemeinschaft vom Lamm. Ich bin mit dieser Gemeinschaft sehr verbunden. Sie hat drei Niederlassungen in Argentinien, die ich auch gut kenne." Bischof Bergoglio habe die Niederlassung in Buenos Aires begründet und sehr gefördert, "weil sie sehr stark hin auf die Gemeinschaft mit den Armen orientiert ist". So habe es sich ergeben, "dass ich zu Franziskus schon vor seiner Wahl eine Beziehung hatte, und die hat sich dann ausgeprägt".
Er bewundere alle drei Päpste sehr und bezeichnete sie als "wirklich große und sehr überzeugende Menschen". Das hat ihn aber nicht daran gehindert, "bei allen dreien auch da und dort Bauchweh zu haben". Auf Nachfrage wollte der Kardinal dann aber doch nicht sein Bauweh den dreien gegenüber konkretisieren, wartete aber mit Papst Paul VI. auf: "Ich hatte Bauchweh mit seiner Ostpolitik. Wir haben ja in Österreich den Kommunismus wirklich hautnah in der Nachbarschaft erlebt. Also da hatte ich manchmal, bei allem Respekt, die Sorge: Das ist zu blauäugig. Aber wer bin ich, das zu beurteilen?"
Zur Frage, ob er am Ende seiner Amtszeit als Erzbischof von Wien optimistischer oder pessimistischer auf die Welt blicke, antwortete er mit einem Ausspruch von Joseph Ratzinger: "Pessimismus und Optimismus, das sei eine Frage des Temperaments. Aber worauf es ankommt, sei die Hoffnung. Die Hoffnung ist keine Frage des Temperaments, sondern eine des Willens und Geistesüberzeugung." Und der Kardinal fügte hinzu: "Ich bin hoffnungsvoll."
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