Evangelischer Bischof im Kathpress-Interview: Politisch Verantwortliche sollten Unrecht an Evangelischen zurechtrücken und Chance für die Republik Österreich für vertiefte Erinnerungskultur nützen
Wien, 20.12.2024 (KAP) Mit einem Weihnachtswunsch zum Karfreitag wendet sich der evangelische Bischof Michael Chalupka via Nachrichtenagentur Kathpress an die Regierungsverhandler. Er plädiert einmal mehr dafür, den Karfreitag als "Feiertag für alle" in Österreich einzuführen. "Die Regierungsverhandlungen bieten jetzt die Möglichkeit, ein Unrecht, das vor allem den evangelischen Kirchen in Österreich angetan wurde, wieder zurechtzurücken und zugleich ein Stück Erinnerungskultur für die Republik Österreich wiederherzustellen", sagte Chalupka am Freitag.
Der Karfreitag sei für alle Christen ein zentraler Feiertag, betonte der evangelische Bischof. Zugleich sei die Einführung des Karfreitags für die protestantischen Kirchen eine Art Anerkennung des Unrechts gewesen, das den Kirchen über 180 Jahre angetan wurde. Die Gegenreformation "war eine Zeit der Vertreibung und der Deportationen. Familien wurden zerrissen, Eltern deportiert, Kinder sollten in einem anderen Glauben erzogen werden." Das Gedenken daran habe in Österreich aber keinen Platz, kritisierte der Bischof. Es gebe kaum Bewusstsein dafür.
Der Karfreitag ist seit 2019 für evangelische, methodistische und altkatholische Christen kein Feiertag mehr - es sei denn, man macht ihn zum "persönlichen Feiertag", dann hat man einen Anspruch auf Urlaub an diesem Tag, der Arbeitgeber kann ihn nicht ablehnen. Einen zusätzlichen Urlaubstag gibt es dafür allerdings nicht. Der persönliche Feiertag muss drei Monate zuvor beim Arbeitgeber angemeldet werden.
Aktuelle Regelung "Mogelpackung"
Chalupka nannte diesen sogenannten "persönlichen Feiertag" allerdings im Kathpress-Interview eine "Mogelpackung": "Dieser persönliche Feiertag ist kein Feiertag, sondern ein ganz normaler Urlaubstag. Und dass man den gegen den Willen des Arbeitgebers nehmen kann, entspricht in keiner Weise der Kultur in Österreich. Denn Urlaubstage werden immer im Einvernehmen genommen."
In der evangelischen Kirche habe die Abschaffung des Karfreitags 2019 eine tiefe Wunde hinterlassen, so der Bischof: "Ich komme in keine Pfarrgemeinde, wo nicht gefragt wird: Wann wird dieses Unrecht repariert?" Vielen evangelischen Christen sei der Karfreitag nach wie vor ein großes Anliegen. Die evangelischen Gottesdienste am Karfreitag seien neben den Weihnachtsgottesdiensten auch nach wie vor jene mit den meisten Teilnehmenden.
Es gibt auch schon viele Kommunen oder Unternehmen, die in ihren Kollektivverträgen den Karfreitag als freien Tag verankert haben. Chalupka: "Das heißt, ein Großteil der Österreicherinnen und Österreicher hat ohnehin durch den Kollektivvertrag frei oder arbeitet nur einen halben Tag." Insofern würde dieser Feiertag für alle auch wirtschaftlich keinen allzu großen Unterschied machen.
Auch ein Stück Erinnerungskultur
Chalupka: "Die Republik hat nicht den Evangelischen einen Feiertag weggenommen, sondern hat sich selbst um ein Stück der Erinnerung und der Erinnerungskultur gebracht", so Chalupka wörtlich. Und "deswegen wäre es ein gutes Zeichen, den Karfreitag für alle einzuführen". Der Bischof betonte, dass in dieser Frage die Kirchen in Österreich an der Seite der evangelischen Kirchen stünden.
Ein weiterer Aspekt: Die vielen Krisen der letzten Jahre hätten gezeigt, "dass das Leben unverfügbar ist, dass wir nicht alles in der Hand haben. Und der Karfreitag ist ein Tag, der uns deutlich macht, wie zerbrechlich das Leben ist. Und es ist gut, daran auch einmal im Jahr zu denken", so Chalupka.