Kultusministerin bei Begegnung der Spitzen der Glaubensgemeinschaften: Religion "immanenter Teil" und wichtiges Wertefundament der Gesellschaft - Erzbischof Lackner: Hoffnung ist Vertrauen in Sinn und darf der Welt nicht vorenthalten werden
Wien, 19.12.2024 (KAP) Ein klares Plädoyer für die Präsenz der Religion im öffentlichen Raum hat Kultusministerin Susanne Raab am Donnerstag beim Adventempfang der Religionen im Bundeskanzleramt gegeben. Der Glaube sei ein "immanenter Teil der Gesellschaft" und in deren Mitte verankert, sagte die Ministerin, die vor den versammelten Vertreterinnen und Vertretern der Glaubensgemeinschaften in Österreich den guten gemeinsamen Weg der Religionen mit den Behörden lobte. Mit Blick auf die laufenden Regierungsverhandlungen sicherte Raab ihre Unterstützung für die Weiterführung des Religionsunterrichts zu.
Die Ministerin sprach sich klar dagegen aus, Religion als Privatsache abzutun. "Religion und ihre Symbole, wie das Kreuz, sollen sichtbar bleiben - nicht instrumentalisiert auf Wahlplakaten, sondern als Wertefundament unserer Gesellschaft", erklärte sie unter Applaus. Sie sei "überzeugt, dass wir unsere Werthaltungen leben müssen und diese auch klar kommunizieren müssen, da sie auch Sicherheit geben, die man für ein friedliches Zusammenleben braucht". Gleichzeitig sei die staatliche Neutralität gegenüber Religionen ein wichtiges Prinzip, das jedoch nicht als Beliebigkeit missverstanden werden dürfe.
Raab hob auch die Bedeutung der Religionsfreiheit weltweit hervor und verwies auf die Arbeit der im Bundeskanzleramt eingerichteten Stabsstelle zum internationalen Schutz religiöser Minderheiten, mit besonderem Fokus auf Christenverfolgung. Die Finanzierung mehrerer neuer Projekte aus dem Bundeskanzleramt sei gelungen, sagte die Ministerin. Auch den Religionsunterricht gelte es abzusichern, da dieser den künftigen Generationen Werte und Orientierung vermittle.
Den österreichischen Weg der Kooperation zwischen Staat und Religion und des gemeinsamen Einsatzes für das Miteinander in der Gesellschaft gelte es weiterzugehen und zu stärken, so die Ministerin. Sie verwies dabei auf das erfolgreiche Zusammenwirken mit den Religionsgemeinschaften in der vergangenen Legislaturperiode, zuletzt etwa im Herbst bei der Feier "175 Jahre Kultusamt". Sie räumte jedoch auch Herausforderungen ein, wie den Anstieg von Antisemitismus und den Vertrauensverlust in Institutionen. Die zunehmende Beliebigkeit in der Gesellschaft wie auch der Einfluss extremistischer Strömungen bezeichnete sie als Gefahr für die Demokratie und den Zusammenhalt.
Lackner: Friede braucht Hoffnung
Erzbischof Franz Lackner verwies in seiner Ansprache als Vorsitzender der Österreichischen Bischofskonferenz die Bedeutung der Hoffnung. Diese sei nicht mit Optimismus zu verwechseln, sondern bedeute vielmehr, einen Sinn im Geschehen zu erkennen, und zwar unabhängig vom Ausgang. Mit einer persönlichen Erinnerung aus seiner Kindheit veranschaulichte Lackner diesen Gedanken: Am elterlichen Bauernhof habe damals seine Mutter inmitten der Krise - eine der beiden Kühe war plötzlich verendet - gesagt: "Wer weiß, wozu das gut ist."
Eine transzendenzoffene "Hoffnung wider alle Hoffnung" sei eine "verlorene Wahrheit unserer Zeit", führte Lackner weiter aus. Hoffnung sei im tiefsten Kern ein Vertrauen darauf, dass in etwas Sinn liege, und zwar selbst in unverständlichen Ereignissen. "Wir dürfen als Christen der Welt diese Hoffnung nicht vorenthalten", so der Erzbischof. Eine solche von Hoffnung geprägte Haltung sei zudem auch das Fundament für den Einsatz für den Frieden.
Lackner warnte weiters vor zunehmendem Verlust des Transzendenten im säkularen Zeitalter. Das Betonen einer rein diesseitigen Perspektive führe zu Nihilismus und Hoffnungslosigkeit, was angesichts globaler Herausforderungen wie dem Ukrainekrieg, dem Konflikt im Nahen Osten, gesellschaftlicher Spannungen und den Folgen des Klimawandels besonders deutlich werde. Die Religionsgemeinschaften hätten hier die besondere Verantwortung, Hoffnung zu stiften. Der Erzbischof zitierte den Philosophen Byung-Chul Han: "Hoffnung hat eine Weite. Sie stiftet ein Wir." Das Weihnachtsfest symbolisiere diese Hoffnung im Bild des Kindes von Bethlehem, wie selbst der Religionskritiker Friedrich Nietzsche anerkannt habe.
Treffen der Religionsvertreter
Unter den zahlreichen Gästen der musikalisch vom Schülerchor des Pressbaumer Gymnasiums Sacre-Coeur gestalteten Adventbegegnung war vonseiten der katholischen Kirche neben dem Salzburger Erzbischof auch die Wiener Weihbischöfe Franz Scharl und Stephan Turnovszky sowie der Generalsekretär der Bischofskonferenz, Peter Schipka, anwesend. Unter den Gästen waren auch zahlreiche Vertreter kirchlicher Einrichtungen und Organisationen, unter ihnen der Präsident der Katholischen Aktion, Ferdinand Kaineder, und der Präsident der Arbeitsgemeinschaft Katholischer Verbände, Matthias Tschirf.
An der Begegnung nahmen u.a. der armenisch-apostolische Bischof und Vorsitzende des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich, Tiran Petrosyan, der evangelische Bischof Michael Chalupka und Superintendent Matthias Geist teil, weiters der anglikanische Kanonikus Patrick Curran, der reformierte Landessuperintendent Thomas Hennefeld, die evangelisch-methodistische Pastorin Esther Handschin und Walter Hessler von der Neuapostolischen Kirche. Ebenso waren der russisch-orthodoxe Bischof Aleksij (Zanochkin), der koptisch-orthodoxe Bischof Anba Gabriel, der syrisch-orthodoxe Chorepiskopos Emanuel Aydin und der griechisch-orthodoxe Archimandrit Athanasius Buk sowie der rumänisch-orthodoxe Bischofsvikar Nicolae Dura anwesend, zudem Ostkirchen-Generalvikar Yuriy Kolasa und der Präsident der Buddhistischen Religionsgesellschaft Gerhard Weißgrab.