Ukraine: "Der härteste Winter seit Ausbruch des Kriegs"
22.12.202408:35
Ukraine/Österreich/Soziales/Krieg/Caritas
Wiener Caritasteam auf Lokalaugenschein in der Ukraine - Caritasdirektor Schwertner: "Der Krieg tobt längst nicht mehr nur an der Front, auch die Zivilbevölkerung ist stark betroffen" Caritas bittet dringend um Spenden für die Ukraine
Wien/Kiew, 22.12.2024 (KAP) Ein Team der Caritas aus Österreich besuchte wenige Tage vor Weihnachten zahlreiche ihrer Hilfsprojekte in der Ukraine. "Die humanitäre Lage ist im dritten Kriegswinter dramatischer denn je. Die Not der Menschen, vor allem von Alten und Kindern, ist enorm", bilanzierte der Wiener Caritasdirektor Klaus Schwertner nach seinem siebentägigen Besuch in Schytomyr und Kiew sowie in Lubny und Poltava im Osten des Landes: "Es ist der härteste Winter seit Ausbruch des Kriegs."
Schwertner: "Der Alltag wird von Raketen- und Drohnenangriffen begleitet. Durch massiven Beschuss der Energieinfrastruktur wird Kälte in diesem Krieg stärker noch als bisher als Waffe eingesetzt." 80 Prozent der Wärmekraftwerke, 50 Prozent der Umspannwerke und 30 Prozent der Wasserkraftwerke seien bereits zerstört oder schwer beschädigt worden. Heizung, Strom und Wasserversorgung würden bei Außentemperaturen von bis zu minus 20 Grad immer wieder ausfallen, so der Caritasdirektor: "Der Krieg tobt längst nicht mehr nur an der Front. Auch die Zivilbevölkerung ist stark betroffen." Von einem Weihnachtsfrieden sei das Land weit entfernt, doch die Menschen wünschten sich nichts mehr als "Frieden in einer freien und unabhängigen Ukraine".
Die Folgen des Kriegs seien brutal, so Schwertner: "Seit Februar 2022 zählten die Behörden mehr als 51.000 Luftalarme - im besten Fall ist es Psychoterror, im schlimmsten Fall bedeuten die Alarme Zerstörung, Verletzte und Tote. Gerade für Kinder sind die psychologischen Folgen verheerend." Das Team der Caritas sei selbst mehrmals täglich gezwungen gewesen, Luftschutzräume aufzusuchen.
Schwertner: "Wenn es in dieser Zeit so etwas wie eine gute Nachricht gibt, dann die: Unsere Hilfe wirkt, sie wärmt und sie macht für viele Männer, Frauen und Kinder einen großen Unterschied - gerade auch jetzt zu Weihnachten." Seit Ausbruch des Angriffskriegs habe die Caritas mit ihren Partnerorganisationen bereits mehr als 4 Millionen Menschen mit humanitärer Hilfe erreicht.
Winterhilfe ist Überlebenshilfe
Bereits mehr als 14,6 Millionen Menschen sind laut Caritas innerhalb der Ukraine auf humanitäre Hilfe angewiesen. Knapp 3,5 Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer wurden zu Vertriebenen im eigenen Land, allein seit August 2024 kamen 180.000 Menschen dazu. Und mehr als 6,8 Millionen Menschen sind aus ihrer Heimat geflohen.
Auf ihrer Reise besuchte das Team der Caritas zahlreiche Projekte für Kinder, Brennholz-Verteilungen und Suppenküchen für obdachlose und armutsbetroffene Menschen, aber auch Projekte, bei denen alte und pflegebedürftige Menschen und Menschen mit Behinderung von der Caritas betreut werden.
Schwertner: "Gemeinsam mit der Caritas Ukraine haben wir bei Minusgraden Brennholz in entlegenen Dörfern verteilt, Menschen mit Lebensmitteln, warmen Mahlzeiten und Schlafsäcken versorgt und wir haben Kinderschutzzentren besucht, in denen so etwas wie Kindheit im Krieg möglich sein soll. Es ist leider keine Übertreibung zu sagen, dass diese Hilfe für viele Menschen das Überleben sichert."
Nicht zuletzt habe die Hilfsbereitschaft von Menschen in Österreich seit Beginn des Angriffskriegs Hilfslieferungen im Ausmaß von 500 Tonnen ermöglicht. Eine Viertelmillion Ukrainerinnen und Ukrainer hat in Form von Lebensmittelpaketen, Hygieneprodukten und Trinkwasser Unterstützung erhalten.
"Die Hilfe muss weitergehen"
Schwertner appelliert an die Verantwortlichen der nächsten Bundesregierung, in der humanitären Hilfe für die Ukraine im kommenden Jahr nicht nachzulassen, Solidaritätsbesuche in Kiew vorzubereiten und entsprechende Mittel aus dem Auslandskatastrophenfonds bereitzustellen: "Die Hilfe muss weitergehen - denn der Bedarf nimmt mit Fortdauer des Krieges zu."
"Wir dürfen unsere Nachbarinnen und Nachbarn jetzt nicht im Stich lassen", appellierte der Caritasdirektor zudem an die Solidarität der Österreicherinnen und Österreicher: "Die ukrainische Grenze ist von Wien gleich weit entfernt wie Bregenz. Das ist kein Sprint, sondern der längste Hilfsmarathon, den Europa und somit auch Österreich seit dem Zweiten Weltkrieg laufen müssen. Und unsere Hilfe wird dringender benötigt denn je."
Konkret sucht die Caritas Helferinnen und Helfer, die für das Jahr 2025 mit einer monatlichen, frei wählbaren Spende die langfristige Hilfe sicherstellen. Der Spendenauftrag ist befristet für ein Jahr und endet automatisch mit Jahresende 2025.