Patriarch von Konstantinopel und Oberhaupt der Weltorthodoxie warnt in Weihnachtsbotschaft vor überzogenen Erwartungen an technologischen Fortschritt
Istanbul/Wien, 23.12.2024 (KAP) Vor überzogenen Erwartungen an neue Technologien, darunter die künstliche Intelligenz, die einer positiven Entwicklung der Zivilisation sogar entgegenstehen könnten, warnt Patriarch Bartholomaios in seiner heurigen Weihnachtsbotschaft. Die Friedensbotschaft der Engel von Betlehem ertöne auch heuer wieder in einer Welt, "die von Brutalität, sozialer Ungerechtigkeit und Schändung der Menschenwürde erfüllt ist". Zugleich würde es der technologische Fortschritt erlauben, "das bis heute geltende Maß des Menschen zu sprengen".
Doch der rasante Fortschritt der Wissenschaft und der Technologie würden nicht die Tiefen der menschlichen Seele erreichen, "da der Mensch immer mehr ist als das, was die Wissenschaft erfassen kann und der Fortschritt der Technologie anstrebt". Die Wissenschaft könne die Kluft zwischen Himmel und Erde im Dasein des Menschen nicht überbrücken, so der Patriarch von Konstantinopel.
Bartholomaios betont zugleich, dass die Kirche nicht technikfeindlich sei. Sie begrüße die wissenschaftliche Erkenntnis als eine "dem Menschen von Gott gegebene Gabe", ohne die Gefahren der Verabsolutierung der Wissenschaft zu verkennen oder zu verschweigen. Das Oberhaupt der Weltorthodoxie verweist auf das Panorthodoxe Konzil auf Kreta im Jahr 2016, das den Beitrag des Christentums "zu einer positiven Entwicklung der Zivilisation" hervorgehoben hat, denn "Gott hat den Menschen eingesetzt als Hüter der göttlichen Schöpfung und als seinen Mitarbeiter in der Welt."
Weiter hielt das Konzil fest: "Die Orthodoxe Kirche stellt gegen den heutigen 'Menschen-Gott' den 'Gott-Menschen' als das letztgültige Maß aller Dinge. "Wir sprechen nicht von einem Menschen, der Gott wurde, sondern von Gott, der Mensch geworden ist", zitiert das Konzil den Kirchenvater Johannes von Damaskus.
Weihnachten erneuert gesamte Schöpfung
Weihnachten sei kein Fest der Sentimentalitäten, die "schnell kommen und noch schneller vergehen", schreibt Patriarch Bartholomaios weiter. Weihnachten sei vielmehr die existenzielle Teilhabe am ganzen Geschehen des göttlichen Heilswirkens. Gott befreie nicht nur das ganze Menschengeschlecht, sondern erneuere die gesamte Schöpfung.
Weihnachten sei zudem eine Gelegenheit, sich des "Wunders der Freiheit des Menschen" erneut bewusst zu werden. "Christus pocht an die Tür der Menschenherzen, doch nur der durch die Gabe der Freiheit geehrte Mensch selbst kann sie öffnen." Bartholomaios verweist auf den orthodoxen Theologen Georges Florovsky (1893-1979), der schrieb: "Ganz gewiss, ohne Ihn, ohne Christus, kann der Mensch nichts tun. Und doch gibt es etwas, was allein der Mensch tun kann: dem Ruf Gottes zu folgen und Christus zu 'empfangen'."
Teilweise anderer Weihnachtstermin
Nicht nur in der Katholischen Kirche und den Kirchen der reformatorischen Tradition steht das Weihnachtsfest vor der Tür, auch zahlreiche orthodoxe Kirchen feiern bereits am 24./25. Dezember das Fest der Geburt Christi. Der Grund dafür liegt in der teilweisen Übernahme des Gregorianischen Kalender zu Beginn des 20. Jahrhunderts durch die orthodoxen Kirchen von Konstantinopel, Alexandrien, Antiochien, Rumänien, Bulgarien, Zypern, Griechenland, Albanien und Finnland. Mit September 2023 hat auch die Orthodoxe Kirche der Ukraine (OKU) auf diesen Kalender umgestellt. Die konkurrierende Ukrainische Orthodoxe Kirche (UOK) bleibt beim Julianischen Kalender.
Auch die orthodoxen Kirchen von Russland, Serbien oder Georgien halten am Julianischen Kalender fest. Durch eine Kalenderreform im Jahr 1582 ist der Julianische Kalender 13 Tage hinter dem damals eingeführten westlichen Gregorianischen Kalender gefallen. Die orthodoxen Weihnachtsgottesdienste der Russen, Serben und Georgier finden dadurch am 6. Jänner (Heiliger Abend) und 7. Jänner (Christtag) statt.