Erstmalige wissenschaftliche Annäherung an das Leben und Wirken der vor 50 Jahren seliggesprochenen Ordensgründerin
Salzburg, 31.12.2024 (KAP) Über Maria Theresia Ledochowska (1863-1922) gibt es erstmals eine wissenschaftliche Publikation. In einem bei Pustet erschienenen Buch ("Maria Theresia Ledóchowska - Salzburg und Afrika im Leben der Ordensgründerin") werfen namhafte Autoren vielfältige kritische Blickwinkel auf das Leben und Wirken der Frau, die in Österreich und auch weit über die Landesgrenzen hinaus zu einer Vorkämpferin gegen die Sklaverei in Afrika und für die dortige Mission wurde. Obwohl in der katholischen Kirche seit nunmehr 50 Jahren als Selige verehrt, ist sie in der "säkularen" Salzburger Stadtgeschichte jedoch noch kaum bekannt, stellen die Herausgeber Sabine Veits-Falk und Johannes Hofinger fest.
Ledochowska gründete Ende des 19. Jahrhunderts den bis heute aktiven Missionsorden vom heiligen Petrus Claver in Maria Sorg. Sie kaufte dabei für sich und ihre Mitschwestern ein renovierungsbedürftiges Anwesen am nördlichen Salzburger Stadtrand und baute eine Druckerei auf, die Bücher in über 100 Sprachen publizierte. Zudem veröffentlichte sie Dramen, hielt Vorträge und sammelte so beträchtliche Spendensummen für die Mission in Afrika. In Salzburg gründete sie ein Afrika-Museum, das "Claverianum", und prägte damit das Afrika-Bild ihrer Zeit im Spannungsfeld von Mission und Kolonialismus, wenngleich sie zeitlebens nie selbst in Afrika war.
Stand in bisherigen biografischen Auseinandersetzungen vor allem die Glaubensperspektive Ledochowskas im Fokus, so ist diese auch aus Perspektive der Frauen- und Geschlechterforschung spannend, betonen Veits-Falk und Hofinger: Die aus polnischem Adel stammende gebürtige Loosdorferin, die 1885 als Hofdame von Großherzogin Alice von Toskana in die Stadt Salzburg kam und dort ihr Wirken entfaltete, zeige anschaulich die Handlungsspielräume gut vernetzter sowie mit Engagement, Kreativität, Durchsetzungsvermögen und Disziplin ausgestatteter Frauen ihrer Zeit. Ledochowska habe nicht nur im katholischen Umfeld, sondern auch im sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Kontext der Stadt Salzburg Geschlechtergrenzen überschritten.
Die "Ordensgründerin, Medienfrau und Antisklaverei-Aktivistin" Ledochowska verdiene es, allseits bekannt zu werden und mehr Beachtung und Breitenwirkung zu erfahren, ist im Beitrag der aktuellen Maria-Sorg-Leiterin Sr. Ursula Lorek, Elisabeth Mayer von der Katholischen Aktion Salzburg und dem Salzburger Kulturmanager Alfred Winter zu lesen. Schließlich seien die von ihr aufgegriffenen Themen angesichts heutiger Formen von Unterdrückung, Sklaverei und verletzter Menschenwürde weiter aktuell. Auch Ledochowskas Beitrag zum "Frauenkongregationsfrühling im langen 19. Jahrhundert" wird im Buch gewürdigt. Zugleich bleiben kritische Betrachtungen nicht ausgespart, etwa wenn ihr vermitteltes Afrika-Bild und ihr Missionsverständnis unter heutigen anthropologischen Prämissen untersucht werden.
Das 200 Seiten umfassende Werk versammelt Beiträge einer im Juni 2023 vom Stadtarchiv Salzburg veranstalteten Ledochowska-Tagung mit Expertinnen und Experten aus verschiedensten Bereichen, darunter etwa Michaela Sohn-Kronthaler, P. Alkuin Schachenmayr, Thomas Spielbüchler, Julia Allerstorfer, Christa Gürtler, Elisabeth Mayer, Alfred Winter, Sr. Ursula Lorek und Sr. Elisabeth Burdak. Enthalten sind auch zahlreiche bislang unveröffentlichte Fotografien aus dem Archiv der Missionsschwestern in Maria Sorg. Das Buch erschien als Teil 67 der Schriftenreihe des Stadtarchivs Salzburg im Verlag Anton Pustet und kostet 29 Euro.