Filipovic zu Debatte über umstrittenen Beitrag Elon Musks in deutscher "Welt": "Disruption klingt ja so wahnsinnig toll - und jetzt soll eben die Politik zerstört werden" - Paganini: Musk hat in deutscher Politik nichts zu sagen
Berlin/Wien, 01.01.2025 (KAP) Ein Gastkommentar von Elon Musk in der deutschen "Welt am Sonntag" schlägt weiter Wellen: Die Zeitung habe sich zum "Steigbügelhalter" eines Mannes gemacht, der die Grundfesten der liberalen Demokratie abbauen wolle, sagte der Wiener Sozial- und Medienethiker Alexander Filipovic der deutschen Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) am Mittwoch. Musk hatte in der Zeitung die AfD zum "letzten Funken Hoffnung" für Deutschland erklärt und zur Wahl der Partei aufgerufen. Am Silvestertag ging Musk zudem den deutschen Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in einem Post auf seinem Social Media Kanal X direkt an, nannte den Bundespräsidenten einen "anti-demokratischen Tyrann" und schrieb: "Schande über ihn."
Für Filipovic ist "diese Aufregung natürlich gewünscht und Teil des Spiels". Der Gastkommentar in der "Welt am Sonntag" sei aber nur ein Mosaikstein. "Die größere Gefahr ist die Art und Weise, wie Social Media benutzt wird, um große Meinungsströme und die Grenzen des Sagbaren zu verschieben und die Grundlagen liberaler menschenrechtsbasierter Demokratie zu erschüttern. Und das halte ich tatsächlich für enorm gefährlich", so Filipovic.
Die "Welt" habe sich hier zum "Steigbügelhalter" Musks gemacht. "Man sieht ja überdeutlich, was Musk versucht: Er will destabilisieren und aus dem Chaos ökonomischen Profit schlagen. Das ist alles so durchsichtig: Das hat er mit dem Bankensystem gemacht, der Raumfahrt, der Autoindustrie. Disruption klingt ja so wahnsinnig toll - und jetzt soll eben die Politik zerstört werden. Am Ende gewinnt immer nur einer, nämlich Musk", meint Filipovic: "Es ist so durchsichtig - und dass die 'Welt' sich herablässt, halte ich persönlich eher für armselig."
Er könne daher auch "gut verstehen, wenn jetzt gestandene Journalistinnen und Journalisten aus der Redaktion sagen, so etwas machen wir nicht, das gehört nicht zu unserer Idee von qualitativem Journalismus". Dennoch könne Deutschland "ein gut gemachtes konservatives Blatt" gebrauchen. "Und das ist ja das, was die 'Welt' früher mal war und was sie in Teilen auch immer noch ist."
Paganini: Musk hat in deutscher Politik nichts zu sagen
Die "Welt am Sonntag" habe durch den Gastkommentar dem Unternehmer ein völlig unzulässiges Gewicht gegeben, sagte auch die Medienexpertin Claudia Paganini, die an der Universität Innsbruck und der Hochschule für Philosophie München als Professorin Medienethik lehrt. "Musk wird eine Bühne geschaffen, er wird als jemand eingeführt, der tatsächlich etwas zu sagen hat. Aber de facto hat Musk in der deutschen Innenpolitik nichts zu sagen."
Durch die prominente Platzierung in der "Welt am Sonntag" entstehe ein falscher Eindruck, während Musks Tiraden gegen Scholz und Steinmeier auf X klar in die Sphäre der "Bullshit-Debatte" gehörten. "Wenn die Zeitung vorgibt, hier nur die Diskussionskultur und die Vielfalt der Meinungen fördern zu wollen, hätte sie ein anderes Genre wählen müssen - ein Interview statt des Gastkommentars beispielsweise, wo man durch die Fragen wirklich Konter gibt", so Paganini. Doch genau das sei eben nicht passiert.