Reinhold Esterbauer im Interview mit "Kleine Zeitung": "Eine Gesellschaft, die nicht mehr hoffen kann, versinkt im Stillstand"
Graz, 02.01.2025 (KAP) "Eine Gesellschaft, die nicht mehr hoffen kann, versinkt im Stillstand", hob der Grazer Philosoph Reinhold Esterbauer die Bedeutung von Hoffnung in Krisenzeiten im Interview mit der "Kleinen Zeitung" (Neujahrsausgabe, Mittwoch) hervor. Sie sei das Gegenmittel zur Resignation und setze "auf eine gute Zukunft, ohne diese zu verklären". Der Theologe erklärte Hoffnung zur wichtigsten Ressource einer Gesellschaft, die Menschen dazu veranlasse, sich für eine bessere Welt einzusetzen.
Hoffnung bewege Menschen, sich für ein Ziel einzusetzen, auch wenn dieses möglicherweise nicht zu erreichen sei, unterschied Esterbauer Hoffnung von Optimismus. Letztlich hänge es nicht von einem Einzelnen allein ab, "ob wir eines Tages in einer besseren Welt leben werden". Die Hoffnung weise aber über die eigenen Handlungsoptionen hinaus und zähle auch auf andere Menschen und deren guten Willen, so der Theologe und Philosoph.
Die Hoffnung distanziere sich nicht nur vom Optimismus, sondern auch von der Angst, erklärte Esterbauer am Beispiel der Klimadebatte weiter. Die einen meinten, alles sei verloren, die anderen meinten, dass der technische Fortschritt alles zum Guten wenden werde. Die Hoffnung aber "verwehrt sich dagegen, die Vernunft zu sistieren und fatalistisch zu werden", führte der Professor am Institut für Philosophie der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Graz aus. Genauso wenig blicke sie "in naiver Zuversicht" auf die Zukunft.
Jene, die hoffen, seien von der "Unvollständigkeit des Kalkulierbaren" überzeugt, so Esterbauer. Daher könnten sie "einer alternativen Logik den Weg bahnen, in der Gelingen, Überraschung, Solidarisierung oder Kreativität ihren Platz haben". Hoffnung operiere im "offenen Möglichkeitsraum der Zukunft" und hebe "Unvordenkliches" in die "Sphäre des Erreichbaren". Hoffnung zeige darum, "dass wir Zukunft haben".