Transformationsforscher Stefan Selke in der Kirchenzeitung der Diözese Linz: Technologie als Trostersatz und Hoffnungsträger wird Göttliches zugeschrieben
Linz, 04.01.2025 (KAP) In einer "erschöpften Welt", die säkular, entfremdet und resigniert sei, verspreche künstliche Intelligenz, kurz KI, eine quasi-religiöse Verheißung. So äußerte sich der deutsche Soziologe und Transformationsforscher Stefan Selke laut Kirchenzeitung der Diözese Linz im Vorfeld seines Vortrags zur neuen "Technologiegläubigkeit" bei der traditionellen Severin-Akademie des Katholischen Akademikerverbandes der Diözese Linz (Forum St. Severin) am 8. Jänner. Wofür man sich zuvor an die Religionen gewandt habe, trete heute zunehmend eine "Technologiegläubigkeit". Die Technik fungiere dabei als Trostersatz und werde mit der Hoffnung aufgeladen, von Lasten zu befreien.
"Gerade weil KI so undurchschaubar ist, ist es einfach, ihr etwas Göttliches zuzuschreiben", führte Selke aus, der Professor für "Gesellschaftlichen Wandel" an der Universität Furtwangen ist. Sie habe etwas Transzendentes, werde mystifiziert und mit "spekulativ überhöhten Erwartungen und Versprechungen verknüpft". Dabei sei sie mehr als nur eine Technologie oder ein Werkzeug, sondern ein "welterzeugendes und veränderndes Kulturphänomen" und vergleichbar mit früheren technischen Errungenschaften, "die heute nicht mehr aus unserem Leben wegzudenken" seien: etwa der Elektrizität.
Angst, dass Technologien wie KI die Rolle der Religion als Trösterin und Hoffnungsgeberin übernehmen könnten, hat der Vorsitzende der Severin-Akademie Paul Grünbacher nicht, wie er gegenüber der Kirchenzeitung betonte: "Trotz ihrer Fähigkeiten bleibt KI ein Werkzeug ohne Mitgefühl, denn menschliche Wärme, echte Beziehungen und spirituelle Tiefe können nicht durch Technologie ersetzt werden, die Emotionen nur imitiert."
Neben der Wahrnehmung ihrer "traditionellen Aufgaben" müsse die Kirche allerdings auf technologische Entwicklungen reagieren, "um ihre Relevanz zu bewahren", hielt Grünbacher fest. So könnte sie die Entwicklung ethischer Leitlinien unterstützen, "um sicherzustellen, dass KI dem Gemeinwohl dient und die Würde des Menschen wahrt". Zudem biete die Digitalisierung der Kirche auch Chancen, "wenn sie die Bedeutung von Werten wie Empathie, Sinnsuche, Spiritualität und Gemeinschaft in einer von Technologie geprägten Welt zeigen kann."
Der Vortrag "Technik als Trost. Verheißungen künstlicher Intelligenz im Kontext von Zukunftserzählungen" von Stefan Selke findet am 8. Jänner, 19 Uhr, in der Katholischen Privat-Universität in Linz statt. (Info: www.fss-linz.at)