Moraltheologe Beck: Christentum muss wieder spirituell werden
05.01.202515:09
Österreich/Kirche/Christentum/Glaube/Beck
Theologe und Mediziner Becke plädiert in "Kurier"-Interview für Paradigmenwechsel in Kirche
Wien, 05.01.2025 (KAP) Der Moraltheologe und Pfarrer Matthias Beck sieht dringenden Handlungsbedarf für eine Erneuerung der christlichen Spiritualität. "Man kann Menschen heute nicht mehr mit katholischen Floskeln abspeisen, sondern muss ihnen erklären, wozu etwas gut ist", nahm der emeritierte Universitätsprofessor für theologische Ethik im "Kurier"-Interview (5. Jänner) die katholische Kirche in die Pflicht. Gleichzeitig kritisierte er einen Mangel an gelebter Spiritualität und Inhaltsleere bei christlichen Ritualen: "Wir haben unsere Regeln durch nichts ersetzt, hätten sie aber zumindest durch eine Reflexionsrunde ersetzen müssen." Dadurch suchten viele Menschen ihre Spiritualität eher im Zen-Buddhismus als im klassischen christlichen Gebet.
Im Islam hingegen finde man bis heute "viel mehr Gemeinschaft und relativ einfache Regeln, die wir eigentlich auch haben", so Beck. Der Theologe, der seit zwei Jahren Pfarrer in den Wiener Gemeinden "St. Josef zu Margareten" und "Auferstehung Christi" im 5. Bezirk ist, beklagte zudem das Fehlen einer gelebten spirituellen Praxis im Christentum: "Wenn - und das habe ich selbst erlebt - ein muslimischer Spitalsarzt zum Freitagsgebet geht, wird das akzeptiert. Würde ein christlicher Arzt am Sonntag für zwei Stunden in die Messe gehen, würde er wahrscheinlich ausgelacht."
Notwendig sei ein Paradigmenwechsel in der Kirche, meinte der Moraltheologe im "Kurier"-Interview mit Blick auf Papst Franziskus, der den "Glaubenssinn" des Volkes stärken wolle.
Glaube als innere Stärke
Der Glaube könne den Menschen innere Stärke verleihen, zeigte sich Beck überzeugt. Er sei damit keine Form von Fremdbestimmung. "Es gibt eine göttliche Stimme in mir, die mir den Weg weist und hilft, gute Entscheidungen zu treffen", erklärte der Moraltheologe mit Verweis auf den Heiligen Geist als innere Autorität. Dabei gehe es vor allem um Selbstfindung, denn "wenn ich mich nur an der äußeren Autorität der Kirche orientiere, laufe ich Gefahr, diesen inneren Punkt zu verfehlen".
Mit Blick auf gesellschaftliche Polarisierungen betonte Beck, dass die Kirchen helfen könnten, "den Glauben als innere Stärke zu verstehen, aus der heraus man Nächstenliebe, Respekt und Wohlwollen leben kann." Jeder Einzelne könne dazu beitragen, da Aggressionen immer im Inneren des Menschen beginnen würden. "Ich muss also an mir arbeiten, um mit dem, was mir in der Gesellschaft nicht gefällt, zurechtzukommen", sagte der Theologe.
Schönborn: "Ohne ihn wäre ich nie Priester geworden"
Besonders würdigte Beck den scheidenden Wiener Erzbischof Kardinal Christoph Schönborn: "Ohne ihn wäre ich nie Priester geworden." Er habe dann - obwohl schon Professor an der Universität Wien - die offizielle Ausbildung im Priesterseminar absolviert, "und dieselben Studenten, die zu mir in die Vorlesung kamen, waren mit mir im Priesterseminar. Das ging aber sehr gut."
Der Mediziner und Theologe Beck wurde 2011 zum Priester geweiht, vier Jahre zuvor wurde er an der Uni Wien Professor. Der Spezialist für Medizinethik gehört der österreichischen Bioethikkommission an und ist korrespondierendes Mitglied der "Päpstlichen Akademie für das Leben" im Vatikan.