Religionssoziologen der Uni Wien beforschten im Rahmen des ORF-Projekts "Was glaubt Österreich?" Wertvorstellungen und Feindbilder in Österreich - Vorab-Präsentation ausgewählter Ergebnisse im Rahmen von ORF-Sendungen
Wien, 07.01.2025 (KAP) Auf eine besorgniserregende Zunahme von Antisemitismus und eine weite Verbreitung von Islamfeindlichkeit in Österreich deutet eine Studie, die von der Universität Wien im Rahmen des ORF-Projekts "Was glaubt Österreich?" durchgeführt wurde. Die ersten Ergebnisse wurden am Dienstag auf dem Portal religion.orf.at veröffentlicht, die vollständigen Studienresultate sollen im Frühling 2025 präsentiert werden, hieß es. Die Studie liefere Einblicke in eine sich wandelnde Glaubenslandschaft in Österreich und zeige auch dringenden Handlungsbedarf auf, um Diskriminierung und Vorurteile zu überwinden.
Die repräsentative Untersuchung, durchgeführt von April bis Mai 2024, befragte 2.160 Personen im Alter von 14 bis 75 Jahren zu ihren Glaubens- und Wertvorstellungen. Laut den ersten veröffentlichten Daten halten 39 Prozent der Befragten christliche und islamische Werte für unvereinbar, während 31 Prozent der Meinung sind, dass die Religionsausübung von Muslimen eingeschränkt werden sollte. Auch antisemitische Einstellungen sind weit verbreitet: So stimmten 39 Prozent der Aussage zu, dass "die Israelis die Palästinenser nicht anders behandeln als die Deutschen im Zweiten Weltkrieg die Juden", und 38 Prozent finden, dass Juden "zu viel Aufmerksamkeit von der österreichischen Politik" genießen.
Die Studie ist Teil des multimedialen ORF-Projekts "Was glaubt Österreich?", das von der ORF-Abteilung "Religion und Ethik multimedial" unter Barbara Krenn und der Universität Wien geleitet wird. Wissenschaftlich verantwortet wird das Projekt von der Religionssoziologin Regina Polak und der Religionswissenschaftlerin Astrid Mattes-Zippenfenig. Gefördert wird die Forschung vom Zukunftsfonds der Republik Österreich.
Gradmesser für Demokratie
Polak betonte, dass die Anerkennung oder Nichtanerkennung von Minderheitengruppen ein zentraler Gradmesser für die Qualität der Demokratie sei: "Antisemitismus und Islamfeindlichkeit sind zwar unterschiedliche Phänomene, doch beide fungieren als Sündenbockmechanismen in Zeiten gesellschaftlicher Krisen." Die Studie zeigt, dass Antisemitismus häufig als "Erklärungsmodell" für komplexe Krisen genutzt wird, während Islamfeindlichkeit die Vorrechte etablierter Gruppen sichern soll. Laut Polak unterscheiden sich die Stereotype: "Juden werden als übermächtig imaginiert, während Muslime als minderwertig und unvereinbar mit der christlichen Kultur dargestellt werden."
Polak wies darauf hin, dass Vielfalt außer einer Bereicherung auch neue Konflikte mit sich bringe. Um Antisemitismus und Islamfeindlichkeit effektiv zu bekämpfen, müssten Bildung, Erinnerungskultur und politische Maßnahmen Hand in Hand gehen. "Unsere Vision ist eine differenzierte Auseinandersetzung mit diesen Phänomenen, um das gesellschaftliche Zusammenleben zu stärken." Studien-Mitautorin Astrid Mattes hob hervor, dass Bildung zwar antisemitische und islamfeindliche Einstellungen mildern könne, jedoch allein nicht ausreiche: "Es braucht emotionale Bildung und stärkere gesellschaftliche Teilhabe von Minderheiten."
IGGÖ sieht Kritik bestätigt
Die Vorab-Ergebnisse wurden von der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) umgehend aufgegriffen, in der Reaktion auf eine Interviewaussage von Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner, die einen "Kampf gegen den Islam" für nötig gesehen hatte und dies erst später als "gegen den politischen Islam" gerichtet präzisierte. Die in Verbindung mit der prekären wirtschaftlichen Lage Österreichs getätigte Aussage Mikl-Leitners bringe das in der Studie festgestellte Vorurteil zum Ausdruck, dass Muslime häufig für gesellschaftliche Krisen verantwortlich gemacht würden, kritisierte IGGÖ-Präsident Ümit Vural. Muslime würden somit "pauschal unter Generalverdacht" gesetzt, was nicht akzeptabel sei.
Portionsweise Präsentation
Die umfassenden Ergebnisse der Studie werden im Frühling 2025 veröffentlicht. Bereits in den nächsten Tagen sind jedoch mehrere mediale Präsentationen geplant. So zeigt ORF2 am Dienstag, 7. Jänner, ab 21.05 Uhr in der Dokumentation "Hat Gott ausgedient?" ausgewählte Resultate, wobei auch Prominente wie etwa Toni Faber, Julia Cencig, Lizz Görgl, Martin Moder und Johannes Silberschneider zu Wort kommen. Diskutiert werden die Ergebnisse im gleich darauf folgenden "Philosophischen Forum" (22.35 Uhr) mit Barbara Stöckl, den Theologen Regina Polak und Johann Schelkshorn, den Philosophen Konrad Paul Liessmann und Philipp Hübl sowie dem Historiker Philipp Blom.
Auch in den ORF-Radios und auf anderen ORF-Medienformaten sind vertiefende Inhalte geplant. So liefert etwa der Sender Ö1 in der Sendereihe "Im Fokus" am Mittwoch, 8. Jänner ab 16.05 Uhr Rückmeldungen zu den Ergebnissen und deren Konsequenzen von Vertreterinnen und Vertretern der Religionsgemeinschaften in Österreich. Am Donnerstag, 9. Jänner werden auf FM4 die Studienergebnisse vor dem Hintergrund neuester Gaming-Trends besprochen, spiele doch "der Glaube an ein Universum, Schicksal und Allverbundenheit" bei vielen Videospielen ebenso eine wichtige Rolle wie bei vielen Menschen in Österreich, hieß es in einer Ankündigung. Auch das Religionsmagazin "Orientierung" widmet sich am Sonntag, 12. Jänner, diesem Schwerpunkt.
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